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Museum DKM in Duisburg: Trinkhallen und mehr – Fotografien von Tata Ronkholz

Anne Bude: Idyll der Achtziger Jahre
mit einem gewissen Schimanski-Charme

Von Petra Grünendahl

Tata Ronkholz "Trinkhallen und mehr". Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Tata Ronkholz „Trinkhallen und mehr“. Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Die Trinkhalle, im Ruhrgebiet kurz und knackig „Bude“ genannt, entstand in der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts: Vor den Werkstoren gelegen boten sie den Arbeitern die Möglichkeit, sich mit alkoholfreien Getränken zu versorgen. Die Buden gingen mit der Zeit, boten Tabakwaren, Zeitungen und Zeitschriften, Alkohol und Süßigkeiten an, später auch – entsprechende Nachfrage bei strengen Ladenschlussgesetzen schufen hier einen Markt – allerlei Dinge des täglichen Bedarfs. Sortiment und Kundschaft änderten sich, die soziale Funktion als Treffpunkt und Ort des Austauschs blieb. Überdauert hat ihre individuelle Gestaltung bis heute, wo Supermärkte sich immer ähnlicher sehen. Diese Einzigartigkeit hat Tata Ronkholz schon in den Siebziger-/Achtziger Jahren in ihren dokumentarischen Fotografien eingefangen, als „Liebenswürdigkeit der Trinkhallen“ hatte sie es selbst einmal bezeichnet. Einige dieser Arbeiten sind nun in einer Sonderausstellung „Trinkhallen und mehr“ im Museum DKM zu sehen.

Tata Ronkholz "Trinkhallen und mehr". Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Tata Ronkholz „Trinkhallen und mehr“. Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Das „Jahr der Trinkhalle“, das die Ruhr Tourismus GmbH für 2016 ausgerufen hat, bot auch dem Museum DKM eine Gelegenheit, Flagge zu zeigen. Die beiden Sammler und Stiftungsgründer Dirk Krämer und Klaus Maas sammeln schon seit den 1980-er Jahren Fotografien von Tata Ronkholz (1940-1997). Die gebürtige Krefelderin hatte ab 1978 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Bernd Becher dokumentarische Fotografie studiert. Ihre bekannteste Fotoserie beschäftigt sich mit Trinkhallen: Im Ruhrgebiet, im Düsseldorfer und im Kölner Raum. Ihre Fotografie umfasst aber auch andere Motivserien – Werkstore oder Hafenstandorte, spätere Werke umfassen Schaufenster von Geschäften –, die ebenfalls exemplarisch in der Sonderschau zu sehen sind.

Trinkhallen und mehr

Tata Ronkholz "Trinkhallen und mehr". Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Tata Ronkholz „Trinkhallen und mehr“. Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Sie sind nüchtern, die schwarz-weißen Fotografien, die sie ab ihrem Studienbeginn Ende der 1970-er Jahre bis Mitte der 1980-er Jahre anfertigte. Fast steril wirken die Bilder: wolkenloser Himmel, die kahlen Bäume des Winters, Menschen sind nirgends zu sehen. Nur diese Trinkhallen, von denen keine einer anderen gleicht. Keine Hochglanzkulissen, sondern das gelebte Leben von Kleinunternehmern, die immer schon sehen mussten, wie sie über die Runden kommen. Die lokalen Zeitungen oder Biermarken lassen schon mal Schlusse zu, wo die „Buden“ verortet sein könnten. Sechs der 17 Trinkhallen stammen aus Duisburg, wie man der ausliegenden Werkliste entnehmen kann. Wie viele dieser Trinkhallen mag es noch geben, fragt man sich. Eine Spurensuche reizt. Auf jeden Fall der Vergangenheit angehören die Aufnahmen von Werkstoren oder Hafenanlagen: Die Düsseldorfer Rheinhafen-Aufnahmen entstanden dort, wo später der Medienhafen aus dem aufgegebenen Hafenareal gestampft wurde. Das Schwarz-Weiß der Bilder verstärkt diese Reise in die Vergangenheit. Die Ausstellung im Museum DKM entstand in Zusammenarbeit mit Van Ham Art Estate in Köln, die den Nachlass der Künstlerin verwalten. Teile der Ausstellung sind Leihgaben, andere wiederum gehören zur Sammlung im Museum DKM.

Fotografie von Tata Ronkholz. Foto: Petra Grünendahl.
Fotografie von Tata Ronkholz. Foto: Petra Grünendahl.
Tata Ronkholz
Erst spät kam Tata Ronkholz (geb. Roswitha Tölle) zur Fotografie. Zunächst hatte sie nach einem Studium von Architektur und Innenarchitektur elf Jahre als freischaffende Produktdesignerin gearbeitet. Nach einem Grundstudium an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf (1977-1978) wechselte sie 1978 in die Klasse für Fotografie von Bernd Becher. Schon 1979 kam dann der Durchbruch mit der Ausstellung „In Deutschland. Aspekte gegenwärtiger Dokumentarfotografie“ im Rheinischen Landesmuseum in Bonn, die Ronkholz ebenso wie weiteren Becher-Studenten der Düsseldorfer Akademie zum Durchbruch verhalf. Bis Mitte der 1980-er Jahre fotografierte sie freischaffend, dann zehn Jahre lang für eine Kölner Fotoagentur (1985-95). Gestorben ist sie 1997 in der Nähe von Köln.

Vier Fotos aus der Ausstellung "Trinkhallen und mehr". Fotos: Tata Ronkholz.
Vier Fotos aus der Ausstellung „Trinkhallen und mehr“. Fotos: Tata Ronkholz.

Tata Ronkholz "Trinkhallen und mehr". Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Tata Ronkholz „Trinkhallen und mehr“. Fotografie im Museum DKM. Foto: Petra Grünendahl.
Museum DKM
Die Ausstellung von Tata Ronkholz ist ab Freitag, 5. April, bis zum 28. September 2016 zugänglich. Zum offiziellen „Tag der Trinkhallen“ am Samstag, 20. August 2016, wird es um 15 Uhr eine Sonderführung zum Thema „Dokumentarfotografie im Ruhrgebiet“ geben. Neben der Sonderausstellung stehen hier auch entsprechende Werke in der Dauerausstellung im Fokus: Albert Renger Patzsch (1897-1966) sowie Bernd und Hilla Becher (1934-2007, 1934-2015). Die Teilnahme ist in Verbindung mit der Eintrittskarte kostenfrei. Anmeldung erwünscht unter Telefon 0203 / 93555470.

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Tag der Trinkhallen
Um die Bedeutung des Büdchens gebührend zu würdigen, haben die Ruhr Tourismus GmbH und der Dortmunder KioskClub 06 den 20. August 2016 zum Tag der Trinkhallen ernannt. An mehr als 150 Kiosken im ganzen Ruhrgebiet werden jene als Begegnungsort der Kultur(en) gefeiert. Unter dem Motto „Kumpels, Klümpchen & Kultur“ bieten zahlreiche Trinkhallen der gesamten Metropole Ruhr ihren Kunden etwas Besonderes. An 50 ausgewählten Buden gibt es zusätzlich zwischen 16 und 22 Uhr ein Kulturprogramm der besonderen Art. Poetry Slam und Literatur, Kabarett und Kleinkunst, Musik von Rock/Pop, Jazz und Weltmusik bis zu Klassik und Elektro – live gespielt von Bands und DJs oder zum Mitsingen – Physical Theatre und vieles mehr.
https://www.tagdertrinkhallen.ruhr/

Regulär geöffnet hat das private Museum DKM an der Güntherstraße 13-15 im Dellviertel samstags und sonntags zwischen 12 und 18 Uhr sowie jeden ersten Freitag im Monat ebenfalls zwischen 12 und 18 Uhr. Montags bis freitags wird ansonsten nur nach Vereinbarung für Gruppen geöffnet. Der Eintritt kostet 10 Euro (ermäßigt 5 Euro, für Schüler und Studenten bis 28 Jahre), Kinder bis 7 Jahre haben freien Eintritt. Für Gruppen (zw. 10 und 15 Personen) gibt es einen Gruppentarif (7 Euro pro Person) zzgl. einer (kostenpflichtigen) Führung. Weitere Infos gibt es hier.

© 2016 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (5), Tata Ronkholz (4)

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