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Landgericht Duisburg: Loveparade-Prozess startet trotz Verzögerungstaktik der Verteidiger

Man sollte die Erwartungen nicht hoch schrauben:
Ein Kommentar

Von Petra Grünendahl

Nach einem verspäteten Beginn brauchte der vorsitzende Richter Mario Plein von der 6. Strafkammer des Landgerichts Duisburg eine gute Stunde, um die Anwesenheit der zehn Angeklagten und ihrer 32 Verteidiger sowie der 65 Nebenkläger (nicht alle waren persönlich anwesend) sowie ihrer 38 Rechtsvertreter und der benötigten Dolmetscher festzustellen. Mit Anträgen, die die Eröffnung des Prozesses über mehrere Stunden verzögerten, traten vor allem die Verteidiger auf den Plan: Ablehnung von zwei Ersatzschöffen wegen Befangenheit, die Anwesenheit möglicher Zeugen im Gerichtssaal oder Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gerichts kosteten Zeit und manchen auch Nerven. Das 74-seitige Papier des Verteidigers, der die Rechtmäßigkeit des Gerichts anzweifelt, wird am kommenden Mittwoch erörtert. Der Verteidiger moniert, dass das Landgericht Duisburg nach der OLG-Entscheidung, die Klage zuzulassen, diese einer anderen Kammer zuordnete als der, die ursprünglich die Klage nicht hatte zulassen wollen Alles Fragen, die im Vorfeld rechtssicher geklärt werden müssen, will man nicht schon zur Prozesseröffnung Revisionsgründe liefern, die ein späteres Urteil angreifbar machen.

Erst mit reichlich Verzögerung konnte Richter Plein den Prozess gegen zehn Angeklagte eröffnen. Ab 15.48 Uhr verlas Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff die Anklage. ^Die 556-seitige Klageschrift wirft den Angeklagten – sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg als Genehmigungsbehörde, vier Mitarbeiter von Veranstalter Lopavent – gravierende Fehler bei der Planung und Genehmigung der Großveranstaltung vor. Bis zu diesem Zeitpunkt am Nachmittag hatte sich der Gerichtssaal im CCD Ost (Kongresszentrum der Messe Düsseldorf) merklich weiter geleert. Ohnehin hatte sich der Besucherandrang entgegen aller Erwartungen sehr in Grenzen gehalten. Keine fünfzig Zuschauer auf den für die Öffentlichkeit reservierten Plätzen sprachen Bände. Zumal in diesem überschaubaren Kreis von der Verteidigung mögliche Zeugen ausgemacht wurden, von denen auch zwei den Saal verließen. Eine davon war über viele Jahre eine enge Mitarbeiterin von Lopavent-Chef Rainer Schaller. Die Anwälte der Nebenkläger warfen den Verteidigern Verzögerungstaktik vor.

Landgericht Duisburg Außenstelle CCD Ost (Messe Düsseldorf) beim Loveparade-Strafprozess-Auftakt. Foto: Petra Grünendahl.

Keine hohen Erwartungen – ein Kommentar
Er habe keine hohen Erwartungen an den Prozess, erzählte der Vater eines der Verstorbenen im persönlichen Gespräch. Ähnlich sieht es wohl bei den meisten der Nebenkläger aus. Eine echte Aufklärung kann es schon deswegen nicht geben, weil sich die Anklage lediglich Fehler bei der Planung und der Genehmigung fokussiert, nicht jedoch Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen am Tag der Katastrophe, die vielleicht nicht ursächlich waren, aber mit Sicherheit zum Ausmaß derselben beigetragen haben. Diese sind aber von der Anklage völlig ausgeklammert worden. [Anmerkung: Persönlich bin ich nach wie vor der Meinung: Diese Veranstaltung hätte nie genehmigt werden dürfen!]

Auch sollte sich jeder klar machen, wie hoch die Messlatte für eine Verurteilung liegt: Das Gericht muss zweifelsfrei davon überzeugt sein, dass ein bestimmter zu Verurteilender mit seiner Handlung entscheidend ursächlich für das Geschehen war, das zum Tod von 21 Menschen und zur Schädigung/Verletzung von mindestens 650 anderen Menschen führte. Und das dürfte sehr schwierig sein. Auch im Prozess zum Brand am Düsseldorfer Flughafen 1996 hatte es trotz Mammut-Verhändlung nie einen Schuldspruch gegeben …

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In diesem Zusammenhang verweise ich noch einmal auf frühere Kommentare rund um die rechtliche Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe:

© 2017 Petra Grünendahl (Text und Foto)

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