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Sculpture 21st: Lehmbruck Museum in Duisburg zeigt Xu Bings „Dragonfly Eyes“

Wenn das reale Leben Filmgeschichten erzählt
Von Petra Grünendahl

Der chinesische Künstler Xu Bing stellt nicht zum ersten Mal im Lehmbruck Museum aus. Foto: Petra Grünendahl.
„Die Geschichte des Films spielt im realen Leben. Es gibt keine Schauspieler und keinen Kameramann“, erzählte der chinesische Künstler Xu Bing (*1955). Er und sein Team hatten für den 81 Minuten langen Film-Zusammenschnitt rund 11.000 Stunden Filmmaterial ausgewertet. Dieses Material stammte von in China weit verbreiteten Überwachungskameras im öffentlichen Raum und war im Internet frei verfügbar. Zu sehen sind Alltagsszenen – und mittendrin sogar eine Liebesgeschichte, wie sie Hollywood kaum besser hätte inszenieren können. Diese Alltäglichkeit transportiert die Kunst, die aber auch mahnt, was immer mehr Teil unseres Lebens wird, und Diskussionen anregen will: Die Überwachung, der man sich (nicht nur in China) immer weniger entziehen kann.

Im Zentrum der multimedialen Installation von Xu Bing steht der Film „Dragonfly Eyes“. Foto: Petra Grünendahl.
Im Pressegespräch stellten Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla, Kuratorin der Sonderschau, Kulturdezernent Thomas Krützberg, Prof. Yu Zhang (Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen Kulturellen Austausch e. V.), Johannes Pflug (China-Beauftragter der Stadt Duisburg) und Ursula Wißborn von der Stiftung der Sparda-Bank West zusammen mit Xu Bing „Dragonfly Eyes“ vor. Gezeigt wird hier nicht nur der Film: Er ist eingebunden in eine multimediale Installation, die die Entstehung des Werks thematisiert. Sechzehn Laptops zeigen Besuchern Livestreams von Überwachungskameras wie jene Filmszenen, die Xu Bing für seinen Film benutzt hat. Den Überwachungskameras kann sich in China niemand entziehen. Die Zahl von aktuell 100 Mio. Kameras soll bis 2020 auf 600 Mio. steigen. Auch in Europa steigt die Zahl der Überwachungskameras, die unseren Alltag einfangen. Xu Bing will damit auch Bewusstsein wecken. Die Ausstellung eröffnet u. a. mit einem Künstlergespräch am Sonntag, 10. Juni, um 16 Uhr.

Kunst als Vermittler und Anstoß zur Diskussion

Sechzehn Laptops zeigen Livestrems von Überwachungskameras. Foto: Petra Grünendahl.
Schon 2013 habe er erste Ideen zu einem solchen Filmprojekt gehabt: „Damals waren Aufnahmen von Überwachungskameras aber nicht so frei verfügbar“, erklärte Xu Bing. Erst vor drei Jahren habe er das Thema wieder aufgegriffen und in seinem Studio mit 25 Laptops simultan die Livestreams von Hunderten von Überwachungskameras aufgezeichnet. Daraus montierte er einen Film, die eine Geschichte erzählt. Dieser Film jetzt im Lehmbruck Museum im Rahmen von „Sculpture 21st“ in der großen Glashalle des Lehmbruck Museums zu sehen ist. Im Mittelpunkt des Films steht nicht die Überwachung, sondern die Erzählung, die sich aus dem Zusammenschnitt der Filmsequenzen ergibt. Fertig gestellt hat Xu Bing diesem Film 2017, im Lehmbruck Museum erlebt er seine Deutschland-Premiere. Der Film selber ist nicht nur auf dem Bildschirm in der Glashalle zu sehen, sondern wird auf eine Leinwand zum Kantpark hin projiziert.

Eine Leinwand-Projektion von „Dragonfly Eyes“ ist im Kantpark zu sehen. Foto: Frank Vinken.
„In der Zusammenarbeit mit China geht es nicht nur um wirtschaftliche Chancen, sondern auch um kulturellen Austausch“, erzählte Johannes Pflug, der China-Beauftragte der Stadt Duisburg. Ziel müsse neben wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Kooperation auch der Austausch unter Menschen unterschiedlicher Prägung sein, zu dem auch die Kunst einen Zugang verschaffe. Schon seit 10 Jahren engagiert sich die Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen Kulturellen Austausch e. V. (GeKA), deren Gründerin und Vorstand Prof. Yu Zhang die Ausstellung im Lehmbruck Museum begleitet. Xu Bings „Dragonfly Eyes“ ist der Beginn einer Förderpartnerschaft des Lehmbruck Museums mit der Stiftung der Sparda-Bank West. Weitere Projekte würden sich auf Post-Digitale Skulpturen fokussieren, verriet Ulrike Wißborn von der Stiftung. Für den 26. August kündigte sie einen „Sparda-Tag“ im Museum an mit freiem Eintritt und Programm.

Der Künstler Xu Bing

Xu Bing. Foto: Xuan Canxiong.
Der Konzeptkünstler Xu Bing wurde 1955 in der chinesischen Millionenstadt Chongqing geboren. Mit seinen Werken in den Bereichen der Druckgrafik, Kalligrafie und Installation erlangte er internationales Ansehen, nachdem sich China in den 1980er-Jahren langsam dem Westen zu öffnen begann. Nach Ai Wei Wei ist er der wahrscheinlich bekannteste Künstler im Reich der Mitte. Seine Installation „Book from the Sky“ gilt als ein Hauptwerk zeitgenössischer chinesischer Kunst. Xu Bing war zuvor im Lehmbruck Museum schon mal als Teil von „China 8“ zu sehen: Leider war seine Rauminstallation „Tigerfell“ nicht angemessen auf einem Foto zu transportieren.

Xu Bings „Dragonfly Eyes“. Foto: Xu Bing Videostills.
Xu Bing studierte von 1977 bis 1987 an der Zentralen Hochschule der Künste (ZHK), Peking, Kunst mit dem Schwerpunkt Druckgrafik. 1987 war er Visiting Artist an der Kunstakademie in Paris. 1990 folgte er einer Einladung der University of Wisconsin, Madison, als Ehrenmitglied der Fakultät und ließ sich anschließend in den USA nieder. 1993 zog er nach New York, Manhattan. Er war Vizepräsident der ZHK in Peking und hat derzeit eine Professur an der Cornell University in Ithaca, New York, inne. Seine Arbeiten wurden weltweit ausgestellt, unter anderem im New Museum of Contemporary Art, New York, der Arthur M. Sackler Gallery (Smithsonian Museum), Washington D.C., oder der Jean Miro Foundation, Barcelona. Außerdem stellte er bei der 45. und der 51. Biennale in Venedig aus. Xu Bing wurde für sein Wirken mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt er 2015 vom ehemaligen Außenminister der USA, John Kerry, die Medal of Arts. Darüber hinaus wurde er mit dem MacArthur Fellowship und dem Fukuoka Asian Arts and Culture Prize (2003) bedacht.

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Öffnungszeiten und Eintrittspreise
Xu Bings „Dragonfly Eyes“ läuft im Lehmbruck Museum in der Reihe „Sculpture 21st“ bis zum 2. September. Dienstags bis freitags ist das Lehmbruck Museum ab 12 Uhr geöffnet, samstags und sonntags ab 11 Uhr. Die Öffnungszeiten gehen bis 17 Uhr, donnerstags wegen der plastikBAR bis 21 Uhr. An Feiertagen gelten ggf. besondere Öffnungszeiten. Regulär kostet der Eintritt 9 Euro, ermäßigt 5 Euro. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre in Begleitung von Angehörigen sowie Blinden- und Demenzbegleitung haben kostenlos Eintritt. Schulklassen und Kindergärten zahlen pro Person 2 Euro (gilt nur für Selbstführergruppen), eine Familienkarte gibt es für 15 Euro. Jeden ersten Freitag im Monat gilt: „Pay what you want“. Ausgenommen davon sind angemeldete Gruppen.

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Zu seinen Sonderausstallungen bietet das Lehmbruck Museum verschiedene Veranstaltungen als Rahmenprogramm an. Öffentliche Führungen durch das Museum gibt es jeden Sonntag; sie kosten 2 Euro zusätzlich zum Eintritt. Für Informationen und Buchungen steht die Kunstvermittlung des Lehmbruck Museums unter Telefon 0203 / 283-2195 oder eMail kunstvermittlung@lehmbruckmuseum.de zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es unter tickets@lehmbruckmuseum.de, Telefon 0203 / 283-2195 oder www.lehmbruckmuseum.de sowie im Veranstaltungskalender.

(*) Ermäßigung erhalten gebuchte Gruppen, Selbstführer ab 20 Personen, Menschen mit Behinderung (ab 70%), Schüler & Studenten, Wehr- & Zivildienstleistende sowie Menschen mit Sozialhilfebezug.

© 2018 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (3), Frank Vinken (1), Xuan Canxiong (1), Xu Bing (1)

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