Anzeige

Loveparade-Strafprozess: Ehemaliger Rechtsdezernent Wolfgang Rabe sagte als Zeuge aus

Beim Koordinator liefen die Fäden zusammen,
Hindernisse auszuräumen

Von Petra Grünendahl

Der frühere Rechtsdezernent der Stadt Duisburg, Wolfgang Rabe (r.), mit seinem Zeugenbeistand im Gerichtssaal des Landgerichts Duisburg im CongressCenter Ost der Messe Düsseldorf. Foto: Lars Heidrich / Funke Foto Services.
„Am Anfang war ich skeptisch. Aber als sich die Leute von Lopavent kennen lernte, merkte ich: ‚Die können das’“, erzählte Wolfgang Rabe. Danach sei er bemüht gewesen, alles zu tun, dass die Loveparade 2010 in Duisburg stattfinden konnte. Dass er die Veranstaltung abgesagt hätte, wenn es nicht ausräumbare Sicherheitsbedenken gegeben hätte, nimmt man ihm nicht ganz ab. Zu sehr war der Beigeordnete für Sicherheit und Recht anscheinend bemüht, Hindernisse aus dem Weg zu räumen: Nicht den Ordnungsamtsleiter Hans-Peter Bölling, einen Loveparade-Kritiker, betraute er mit den Planungen. Er wählte stattdessen Böllings Stellvertreterin Ursula Fohrmann als Verantwortliche für die Planungen aus, von der er weniger Gegenwind erwartete. Insbesondere nach dem Wechsel der Zuständigkeiten ins Bauordnungsamt im Frühjahr 2010 habe es Widerstände gegeben, sahen die dortigen Mitarbeiter die Veranstaltung doch eher kritisch. Eine Genehmigung hatten sie letztendlich trotzdem erteilt – einen Tag vor der Veranstaltung.

Duisburgs früherer Rechtsdezernent Wolfgang Rabe war als Zeuge geladen. Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland hatte Rabe als Koordinator für die Planung und Genehmigung der Loveparade 2010 eingesetzt, da die Verantwortung für das Verfahren zunächst beim Ordnungsamt gelegen hatte. Rabe war koordinierender Ansprechpartner für alle Beteiligten geblieben, nachdem die Verantwortlichkeiten im Frühjahr 2010 ins Bauordnungsamt (Baudezernat) gewechselt waren. Mit dem Wechsel der Zuständigkeiten für eine Genehmigung der Nutzungsänderung des Veranstaltungsgeländes verblieben beim Ordnungsamt die Sicherheit auf den Zu- und Abwegen zum Veranstaltungsgelände. Auch gegen Wolfgang Rabe war nach der Katastrophe vom 24. Juli 2010 ermittelt worden, die Ermittlungen dann aber eingestellt worden. Vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg müssen sich seit Dezember 2017 sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg (Baudezernat/Bauordnungsamt) und vier Mitarbeiter von Loveparade-Veranstalter Lopavent wegen fahrlässiger Tötung in 21 Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

Im Kulturhauptstadtjahr politisch gewollt

Mario Plein, vorsitzender Richter der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg, flankiert von zwei beisitzenden Richterinnen. Foto: Lars Heidrich / Funke Foto Services.
Nachdem der Vorsitzende Richter Mario Plein den früheren Rechtsdezernenten zunächst hatte erzählen lassen, hakte er wie gehabt mit Fragen nach. Schließlich hielt er ihm chronologisch Aussagen und Schriftstücke vor, um die Aussagen Rabes in Kontext zu anderen Aussagen und Ereignisse zu setzen. An vieles will sich der ehemalige Beigeordnete nicht erinnern können. Das ist praktisch, entbindet es doch davon, Verantwortung zu übernehmen. Wolfgang Rabe wirkte in der Verhandlung eher unbeteiligt, obwohl die Fäden von Planung und Genehmigung bei ihm zusammen gelaufen sind. Die Katastrophe mit Toten und Verletzten bedaure er, sagte Rabe. Es klang eher … beiläufig.

Politischen Druck habe es gegeben, bestätigte Rabe. Aber nur indirekt: „In einem WDR-Interview hatte der Ministerpräsident [Jürgen Rüttgers] betont, dass die Loveparade unbedingt stattfinden müsse.“ Solche Aussagen seien jedoch nie direkt an ihn oder andere Verantwortliche herangetragen worden. Aber: Die Loveparade in Duisburg war ein Leuchtturmprojekt des Kulturhauptstadtjahres RUHR.2010 gewesen. Und auch wenn es keinen direkten Druck auf Rabe geben hat: Mit seiner Aussage, der OB wünsche diese Veranstaltung, hatte sich der Rechtsdezernent diesen politischen Druck zu Eigen gemacht.

Auch die Eigentümer Aurelis, Immobilientochter der Deutschen Bahn, sei daran interessiert gewesen, dass die Loveparade auf ihrem Gelände stattfindet. „Damit hatten sie die Möglichkeit, den Wildwuchs zu entfernen“, sagte Rabe. Oder, um es mal so zu formulieren: So konnten sie den seit vielen Jahren brach liegenden alten Güterbahnhof von unerwünschtem Bewuchs befreien und ihn für eine geplanten Verkauf aufhübschen. Damit und mit den Bildern einer erfolgreichen Veranstaltung hätte sich das Areal schließlich besser vermarkten lassen.

Anzeige

Verantwortlichkeiten für Areale, Zu- und Abwege

Aus Platzgründen findet das Strafverfahren gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg im CongressCenter der Messe Düsseldorf (CCD) statt. Foto: Petra Grünendahl.
Als „Veranstaltungsgelände“ im Sinne der Genehmigung sah Wolfgang Rabe die Karl-Lehr-Straße mit der Rampe hoch zum eigentlichen Veranstaltungsgelände an. „Mit den Vereinzelungsanlagen [an der Düsseldorfer Straße bzw. der Kommandantenstraße] endete der öffentliche Raum“, so Rabe. Er bzw. das Ordnungsamt seien am Tag der Veranstaltung nur für die Sicherheit auf den Zu- und Abwegen zum Gelände – also bis zu den Vereinzelungsanlagen – verantwortlich gewesen. Demnach hätten der Karl-Lehr-Straße mit der Unterführung und die Rampe als Zugang zum Güterbahnhofsgelände in den Verantwortungsbereich des Veranstalters gehört und wären Teil der Genehmigung des Bauordnungsamtes gewesen. So kann man natürlich auch Verantwortlichkeiten hin und her schieben!

© 2018 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (1), Lars Heidrich / Funke Fotoservices (2)

Anzeige

Sie muessen eingeloggt sein um einen Kommentar zu schreiben Einloggen