Zu viel Rückschau, zu wenig Visionen für Zukunft:
„Wir müssen Stärken des Ruhrgebiets besser kommunizieren“
Von Petra Grünendahl
„Die öffentliche Hand muss mit Wirtschaftsförderung dort agieren, wo der Markt versagt, wo Stärken nicht wahrgenommen werden“, erklärte Rasmus C. Beck, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (wmr), als Gastredner beim Neujahrsempfang des Marketing-Clubs Duisburg-Niederrhein im Restaurant Küppersmühle. „Wir als Wirtschaftsförderung allein können die Region im übertragenen Sinne nicht ‚retten’“, so Beck, der die Rolle der wmr als Dienstleister und Impulsgeber verstanden sehen will: Als übergeordnete Instanz in der Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsförderungen der Städte für ein gemeinsames Standortmarketing und die Initiierung neuer Projekte. „Das Ruhrgebiet hat viele Potenziale, aber es ist schwierig, sie zu kommunizieren.“ Markenbildung sei mehr als nur Wirtschaft, so Beck: „Wir haben Kultur, Sport, über 160.000 umsatzstarke Unternehmen und 21 Universitäten mit 261.000 Studierenden. Die Absolventen müssen wir aber in der Region halten. Es bringt uns nichts, wenn die in den Süden abwandern.“
Im Marketing für Duisburg engagiert sich der Marketing-Club schon etwas länger, wie Präsident Marco Pfotenhauer den anwesenden Mitgliedern und Gästen beim traditionellen Neujahrsempfang berichtete. So unterstützt der Club das City-Management Duisburg unter der Leitung von Dagmar Bungardt beim Marketing für die Innenstadt. Darüber hinaus engagieren sich die Marketing-Fachleute im Arbeitskreis „Image“ beim Masterplan Wirtschaft der Niederrheinischen IHK. „Wir freuen uns, uns hier einbringen zu können“, so Pfotenhauer in seiner Begrüßung. Einen Ausblick über den Duisburg-Niederrheinischen Tellerrand hinaus gab Gastredner Rasmus Beck zur neuen Standortkampagne für das Ruhrgebiet. Er zeigte Potenziale auf, aber kam ebenso auf die Baustellen zu sprechen: „Das Ruhrgebiet hat nicht mehr so viele Schüsse im Lauf, einen Imagewechsel voranzubringen.“
Imagewechsel:
Vorurteile abbauen – Potenziale herausstellen
„Ich habe am Anfang im Ruhrgebiet gefremdelt, aber mittlerweile will ich hier gar nicht mehr weg“, erklärte der oberste Wirtschaftsförderer des Ruhrgebiets. Der aus Stuttgart stammende Rasmus Beck ging nach seinem Studium in Tübingen zur Wirtschaftsförderung der Stadt Dortmund. Von dort wechselte er zur Wirtschaftsförderung der Stadt Hannover, bevor er im November 2013 die Wirtschaftsförderung für das Ruhrgebiet übernahm. Als Metropolregion mit rund 5 Mio. Einwohnern sei das Ruhrgebiet mit London oder Paris vergleichbar, allerdings: Die Konkurrenz sitze in Düsseldorf, Köln, Ostwestfalen und Südwestfalen: Mit diesen Regionen konkurriere man um die Ansieldung von Unternehmen, Arbeitsplätzen und Gewerbesteuereinnahmen. Hier will Beck das Ruhrgebiet neu positionieren. Vorurteile gäbe es in Stuttgart, München oder Berlin, nicht jedoch im Ausland: „Die Türkei oder China haben größere Probleme und schauen, wie das Ruhrgebiet sie gelöst hat.“ Mehr nach außen ausgerichtet als frühere Kampagnen in den 1980er und 1990er Jahren („Das Ruhrgebiet. Ein starkes Stück Deutschland“ oder „Der Pott kocht“) werde die neue Kampagne sein, kündigte Beck an. Sie zielt auf eine deutschlandweite und internationale Wirkung, um Unternehmen und Fachkräfte in die Region zu ziehen und zu halten.
„Was das Ruhrgebiet durchläuft, kann anderen Regionen genau so passieren“, warnte Beck, wenn „alte“ Industrien „neuen“ weichen müssten. Kohle und Stahl stiften Identität, aber Beck sieht zu viel Rückschau in die Vergangenheit: „Wir müssen dem Stolz auf die Vergangenheit auch Zukunft entgegensetzen, so wie es die Bayern mit ‚Laptop und Lederhose’ tun.“ Im Schatten von Montan gebe es andere Industrien, deren Zukunftspotenziale besser kommuniziert werden müssten, so der Wirtschaftsförderer. „Wir wollen Menschen erreichen, die Entscheider sind. Wir wollen Menschen ins Ruhrgebiet ziehen, die eine Bereicherung für den Standort sind.“ Die neue Imagekampagne, die zunächst mit einer Imageanalyse anläuft, soll durch den Regionalverband Ruhr (RVR) finanziert werden. Finanzielle Unterstützung durch Unternehmen im Ruhrgebiet wäre wünschenswert. Die Pluspunkte des Reviers gilt es herauszustellen, zukunftsträchtige Branchen in den Fokus zu rücken und zu kommunizieren, um die wirtschaftliche Entwicklung voran zu bringen. Zum Beispiel: „Im Ruhrgebiet funktionieren Megaprojekte“, so Rasmus Beck. Das gilt für die Emscher-Renaturierung ebenso wie für das das Kulturhauptstadtjahr „Ruhr.2010“. Ein Flughafen Berlin-Brandenburg würde im Ruhrgebiet ebenso wenig Negativschlagzeilen schreiben wie ein Bahnhof Stuttgart21: Vielleicht braucht Deutschland ja manchmal einfach „mehr Ruhrgebiet“!
Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (wmr)
In Form einer GmbH ging die Wirtschaftsförderung metropoleruhr 2007 an den Start. Sie beschäftigt heute rund 30 Mitarbeiter. Für die gesamte Region ist sie gemeinsam mit den kommunalen Wirtschaftsförderern zentraler Dienstleister und Ansprechpartner für alle wirtschaftsrelevanten Fragen. National und international bewirbt sie den Standort Ruhrgebiet mit seinen 53 Kommunen, begleitet regionale Netzwerke und Kompetenzzentren und berät Unternehmen bei der Standortsuche.
www.business.metropoleruhr.de/
Der Marketing-Club Duisburg-Niederrhein
Die regionale Berufsstandesorganisation wurde 2009 gegründet und ist als Mitglied im Deutschen Marketing Verband einer von 65 Clubs deutschlandweit. Der Marketing-Club ist der Weiterbildung seiner Mitglieder ebenso verpflichtet wie der Schaffung einer Kommunikationsplattform. Fast jeden Monat trifft sich der Marketing-Club Duisburg-Niederrhein zu überwiegend fachlich orientierten Besichtigungen oder Vorträgen in der ganzen Region. Informationen zu Themen, Veranstaltungen und Kontakten gibt es auf der Homepage des Clubs unter www.mc-duisburg.de. Wer im Marketing tätig ist und sich für eine Mitgliedschaft im Marketing-Club interessiert, kann bei solchen Gelegenheiten erste Kontakte knüpfen: Netzwerken lässt sich im Anschluss an den fachlichen Teil nämlich ganz hervorragend.
© 2016 Petra Grünendahl (Text und Fotos)
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