Deutsches Asylrecht geht von der
Schutzbedürftigkeit der Opfer ausVon Petra Grünendahl
„Unser Asylrecht basiert auf den Erfahrungen des Dritten Reiches“, erklärte Nikolaus Schneider, aus Duisburg stammender ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. „Wie viele Juden hätte gerettet werden können, wenn andere Länder die Verfolgten aufgenommen, ihnen Asyl gewährt hätten. Unser Asylrecht geht von den Opfern aus, der Schutzbedürftigkeit derer, die flüchten müssen.“ Damals hat die Welt versagt, heute stehe Europa davor, gleiches zu tun und sehenden Auges eine humanitäre Katastrophe zuzulassen: „Ich bin stolz darauf, in einem Land zu leben, das Flüchtlinge aufnimmt und mit so vielen Ehrenamtlichen hilft!“
Vor der Preisverleihung des Duisburger Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage hatten Geschäftsführerin Angelika Wagner (Vorsitzende des DGB Duisburg) und Bündnis-Sprecher Armin Schneider (Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg) zum Pressegespräch mit Dr. h. c. Nikolaus Schneider, den man als Laudator hatte gewinnen können, eingeladen. Der Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, traditionell auch der Tag der Preisverleihung, so Nikolaus Schneider, sei ein guter Tag, sich zu diesem Thema zu äußern: „Auch die Mitläufer der rechten Ideologie tragen Verantwortung für ihr Tun.“ Keinerlei Verständnis hat Schneider für Politiker, die Verständnis für „besorgte Bürger“ hätten. Politiker-Vorschläge zu Änderungen im Asylrecht zielten vor allem auf eins, so Schneider: Wählerstimmen. „Der Untergang des Nationalsozialismus und des Dritten Reichs bedeutete den Zusammenbruch der Gesellschaft. Unser Grundgesetz mit seinem Recht auf Asyl ist die Konsequenz daraus – und das ist gut so!“
„Besorgte Bürger“ auf der Suche nach einfachen Lösungen
Die Ereignisse der Silvesternacht in Köln und anderen Städten haben verändert, wie Flüchtlinge wahrgenommen werden. „Die Ereignisse von Köln sind geeignet, extremen Gruppierungen Menschen in die Hände zu treiben, die einfache Lösungen suchen“, sagte Oberbürgermeister Sören Link in seinem Grußwort bei der Preisverleihung. Die Hetze Rechter sei unerträglich für jeden Demokraten, so Link. Er machte aber bezüglich der Asylbewerber auch klar: „Wer deutsches Recht nicht akzeptieren will, hat hier kein Bleiberecht!“ Denselben klaren Standpunkt vertritt auch Nikolaus Schneider: „Wir brauchen im Umgang mit Flüchtlingen eine klare Ansage: Unser Recht gilt! Es gibt keine Sonderräume für anderes Recht. Unsere staatliche Ordnung muss hier gelten – ohne wenn und aber!“
„Wir müssen schneller wissen, wer bleiben kann und wer nicht, um dann Maßnahmen zur Integration, zum Spracherwerb und zur Kulturvermittlung vorantreiben.“ Das müssten diejenigen respektieren, die bleiben wollen! Und: „Wir brauchen Menschen, die bereit sind, das zu vermitteln.“ – „Integration heißt, unsere Werte vertreten, die nicht verhandelbar sind“, stellte Armin Schneider klar. Und: “Das gilt für Menschenwürde und Gleichberechtigung ebenso wie für die Ablehnung von Antisemitismus, der in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge normal ist.“
Auch Europa ist gefordert
„Wir müssen Menschen in Not Schutz und Zuflucht gewähren: Europa kann jetzt zeigen, dass es mehr kann als marode Banken retten und Subventionen verteilen“, stellte Armin Schneider klar. Nikolaus Schneider mahnte, dass man nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass Flüchtlinge bevorzugt würden: Die Sorge von „Menschen auf der Kippe“ – wirtschaftlich Schwachen, Menschen am Existenzminimum – treibe diese sonst in die Hände der Rechtspopulisten und der rechten Hetzer. Das Problem hier ist allerdings, dass Rechte speziell die sozialen Netzwerke für ihre Propaganda nutzen, eine angebliche Bevorzugung von Flüchtlingen und Asylbewerbern mit immer neuen „Nachrichten“ zu streuen, denen schlichte Menschen allzu schnell auf den Leim gehen und für bare Münze nehmen – und sich von keinen noch so plausiblen Argumenten davon abbringen lassen.
„Es war eine wichtige humanitäre Geste der Kanzlerin, Flüchtlinge unbegrenzt aufzunehmen“, so Nikolaus Schneider. „Jetzt muss sich aber auch Europa darum kümmern. Wer Europa abschotten will, rennt sehendes Auges in eine humanitäre Katastrophe.“ Der Kirchenmann stellte die Chance heraus, die sich für Deutschland bietet – und beschränkte dies nicht auf den demographischen Wandel: „Wer seine Identität hat, kann mit anderen Kulturen besser, souveräner umgehen. Dies ist eine Chance für unser Land, uns zu erneuern und stärker zu werden.“ Dabei darf man nicht vergessen: „Wir in Deutschland profitieren von offenen Grenzen“, stellte Angelika Wagner klar. Dafür braucht es die Stärke von Menschen, sich zu positionieren und aufzuklären. Hier hob Laudator Schneider die Preisträger des Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage, den Initiativkreis „Neumühler Erklärung“ hervor, der „seinen Protest gegen Rechts mit einem gut begründeten Bekenntnis und klar durchdachen Positionen formuliert hatte.“ Jeder Einzelne ist gefordert, seinen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben ohne Hass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu leisten!
© 2016 Petra Grünendahl (Text und Fotos)
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