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Zoo Duisburg: Offener Brief an die WAZ zum Artikel „Artenschutz oder Tierquälerei?“ vom 13.4.2017

Sehr geehrter Herr Schmeer,

in der Duisburger Ausgabe der WAZ sind zwei Artikel von ihrer Kollegin Frau Reichard erschienen, die deutliche Recherchemängel aufzeigen.

Elefanten im Zoo Duisburg. Foto: Petra Grünendahl.
In diesem offenen Leserrief möchte ich mich gerne zu diesen äußern.
Alina Reichardt schreibt in der WAZ vom 13.4.2017 einen Artikel mit dem Titel „Artenschutz oder Tierquälerei?“. Hierbei geht es um die Elefantenhaltung in Zoos.
Schon die Bildunterschrift ist schlichtweg falsch und kündigt einen reißerischen Artikel an. „Pfleger im Zoo Hannover setzen spitze Haken ein, um Elefanten zu dressieren – das ist erlaubt.“ Nein, das ist es nicht. Laut Tierschutzgesetz darf keinem Tier Schmerz, Leiden oder Schaden zugefügt werden. Aus diesem Grund ist der Elefantenhaken, oder auch Ankus genannt, auch nicht spitz, sondern stumpf. Der Ankus stammt aus Asien und wurde und wird und von den Mahouts eingesetzt. Mahouts heißen die Elefantenführer die häufig ihr gesamtes Leben mit ihren Arbeitselefanten verbringen. Die Tiere werden gehegt und gepflegt und sogar innerhalb der Familie von einer Generation zur nächsten weitervererbt. In Zoos und Tierparks mit einer Elefantenhaltung im sogenannten direkten Kontakt ist der Tierpfleger ein Teil der Herde und bildet die Tiere für den täglichen Umgang aus. Der Ankus wird als Leitinstrument genutzt. Über bestimmte Druckpunkte wird er als Führstab und Orientierungshilfe eingesetzt. Keinesfalls dient er als Folterinstrument, wie es der WAZ-Artikel suggerieren möchte. Bei Haustieren ist er vergleichbar mit der Leine des Hundes oder der „Stick“ aus der Freiarbeit mit Pferden. Niemand sollte mit der Leine seinen Hund schlagen oder aber mit dem Stick auf sein Pferd. In Notwehrsituationen können sie aber durchaus auch zur Verteidigung genutzt werden, die Menschen haben der Masse Pferd oder insbesondere Elefant sehr wenig entgegenzusetzen. Sie dienen aber nicht dazu, den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen oder schneller einen Trainingseffekt zu erzielen. Das mag kurzzeitig funktionieren, schafft auf Dauer aber wenig oder gar kein Vertrauen zwischen Mensch und Tier und auf lange Sicht ein eher gespanntes Verhältnis mit viel Unfallpotential.

Um dieser Situation zu entgehen, haben bereits einige Zoos bei der Elefantenhaltung auf den sogenannten geschützten Kontakt umgestellt, bei der der Tierpfleger nicht mehr Teil der Herde ist. Hierbei bildet die Elefantenfamilie ihre eigene Rangordnung und arbeitet nur noch rein freiwillig mit den Tierpflegern zusammen. Eigentlich die ideale Haltung. Dennoch sind auch dort Grenzen gesetzt, zumal die Elefantengehege baulich verändert werden müssen. Die meisten Elefanten fühlen sich wohl im geschützten Kontakt, manche allerdings tun sich damit auch schwer, insbesondere wenn ein Elefant ein Leben lang im Pfleger eine direkte Bezugsperson sah. Schwierig ist die Umstellung auf den geschützten Kontakt auch, wenn ein krankes Tier oder eines mit Altersgebrechen regelmäßiger intensiver Pflege bedarf, die im direkten Kontakt viel leichter geboten werden kann als im geschützten Kontakt. Dann kann man schon an die Grenzen des Tierschutzgesetzes stoßen, wenn ein Tier, welches sich nicht mehr behandeln lässt, welches am medizinischen Training nicht mehr mitwirken möchte etc., letztendlich Schmerzen und Schäden erleidet. Eine schnelle Umstellung kann man nicht erzwingen und man muss diese immer für den individuellen Fall erwägen.

Der WAZ-Artikel vermischt zudem den geschützten Kontakt mit der sogenannten Hands-off Methode. Letztere bedeutet gar keinen Kontakt zwischen Pfleger und Tier, also auch kein medizinisches Training, keine Fußpflege etc. Auch diese Form der Haltung gibt es, sie ist aber die am wenigsten professionelle, da hier bei jedem Problem der Elefant in Narkose gelegt werden müsste.

Zoo Duisburg: Delfinarium. Foto: Petra Grünendahl.
Von den Elefanten scheint der Bogen schnell zu den Delfinen geschlagen zu sein, denn unter ihrem fehlerhaft recherchierten Elefantenartikel geht es dann zu den Großen Tümmlern mit ebensolchen Falschinformationen. „Intelligente Säuger in Gefangenschaft“. Ein etwas unglücklich gewählter Titel. Über Intelligenz bei Delfinen lässt sich streiten. Sie lernen gerne und schnell, aber das tut z.B. auch das Huhn und kaum jemand beschwert sich wieviel Intelligenz sich auf dem Grill neben dem Kaufhaus am Spieß dreht. Das Buch „Are dolphins really smart?“ von Justin Gregg gibt eine gute Übersicht, wie klug diese Tiere wirklich sind und stellt sich dem Mythos. Natürlich erweckt auch das Wort „Gefangenschaft“ im Artikel gleich wieder eine negative Grundeinstellung. Hunde, Katzen und Meerschweinchen leben auch in Menschenhand und kaum jemand würde hier das Wort Gefangenschaft benutzen. Wikipedia definiert es als längerfristigen und unfreiwilligen Entzug der Freiheit. Insgesamt 5 der 7 Großen Tümmler, die momentan im Duisburger Delfinarium leben, wurden genau dort geboren. 4 weitere Nachzuchten aus Duisburg leben in Nürnberg und auf Lanzarote. Wann genau wurde diesen Tieren unfreiwillig ihre Freiheit entzogen?

Zoo Duisburg: Delfinarium. Foto: Petra Grünendahl.
Die Autorin fährt im Artikel fort, in dem sie einen Vorfall aus dem letzten Jahr im Duisburger Delfinarium beschreibt. Tierschützer seien zu den Delfinen ins Wasser gestiegen. Tierschützer???? Ist das Ihr Ernst, Frau Reichardt??? Sie bezeichnen Menschen als Tierschützer, die ohne geeignete Desinfektionsmassnahmen in das Wasser eines Delfinariums steigen, welches ohne den Einsatz von Chlor rein mit biologischer Filtration die Wasserqualität für die Delfine aufrecht hält? Selbst ein Schwimmbad setzt auf den Einsatz von Chlor, um die darin badenden Menschen vor den Krankheiten und Ausscheidungen der anderen Menschen zu schützen. Abgesehen vom potentiellen Keimeintrag haben diese, für die Delfine völlig fremden Menschen mutwillig in Kauf genommen, dass die Delfingruppe in Panik gerät und sogar das nur wenige Monate alte Jungtier verletzt werden könnte.

Denise Ade vom Tierschutzbund Deutschland wird ausführlich zitiert, nur der Zoo Duisburg, über dessen Delfine im Artikel berichtet wird, kommt bei Ihrer Darstellung nicht zu Wort. Schade. Gerne hätte ich gewusst aus welcher wissenschaftlichen Quelle Frau Ade ihr Wissen bezieht und was Delfine soviel besser macht, als das oben angesprochene Haushuhn, welches, laut Frau Ade, auf einem Schaubauernhof allerdings wohl in „Gefangenschaft“ gehalten werden darf.

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Im Artikel wird auch über das Aufstocken des Bestandes aus Wildfängen angesprochen. Wenn Frau Reichardt oder auch Frau Ade sich wenigstens die Mühe machen würden, z.B. die Homepage des Zoo Duisburg zu studieren, dann würde ihnen auffallen, dass der Zoo zuletzt im Jahr 1982 einen Delfin aus der Wildbahn importiert hat!!! Vor sage und schreibe 35 (!!!) Jahren wurde also der letzte Delfin für Duisburg gefangen. Das bezeichnet man als Aufstocken des Bestandes mit Wildtieren??? Warum finden die vielen seither im Duisburger Delfinarium erfolgreich aufgezogenen Jungdelfine keine Erwähnung?

Zoo Duisburg: Delfinarium. Foto: Petra Grünendahl.
Dann wird auch noch das Wal- und Delfinschutzforum (WDSF) zitiert, eine Ein-Mann-Organisation des Steuerberaters und Delfinariumgegners Jürgen Ortmüller, während ein Statement des Zoo Duisburg weiterhin ausbleibt. Das scheint einfacher zu sein, im schlimmsten Fall könnte ja die eigene vorgefertigte Meinung ins Wanken geraten, wenn man sich mit realen Fakten auseinandersetzen muss und sich nicht in Pippi-Langstrumpf-Manier, die Welt macht, wie sie einem gefällt. Auch hier hätte ein Besuch der Homepage des Zoos geholfen, um die im Artikel aufgeführten Zahlen in Relation zu setzen und journalistisch korrekt darzustellen. Insgesamt 19 Delfine sind nach Duisburg gekommen, und das in nunmehr 52 Jahren der Delfinhaltung. Seit 1978 wurden 30 Trächtigkeiten in Duisburg festgestellt. 25 wurden tatsächlich ausgetragen, 5 Aborte festgestellt. 11 von 25 Tieren überlebten das erste kritische Jahr im Leben eines Delfins. Die in Duisburg geborenen Delfinweibchen Delphi und Daisy haben selbst bereits erfolgreich nachgezogen. Mit dem Fortschreiten der medizinischen Möglichkeiten veränderten sich natürlich auch die Haltungsbedingungen für alle Tiere im Zoo inklusive der Delfine. Daher kann man auch nicht die überproportional hohen Todesfälle aus den 60er und 70er Jahren mit den Zeiten von heute in einen Topf werfen. Auch unsere eigenen Lebensbedingungen waren früher völlig andere. Das Rauchen war ein Zeichen von Freiheit, wir Kinder turnten unangeschnallt auf dem Autorücksitz herum und Säuglinge wurden mit dicken Federbetten zugedeckt. Auch das gibt es heute nicht mehr. Die Zigarettenschachteln zieren abscheuliche Bilder, es gibt die Anschnall- und Kindersitzpflicht und Säuglinge schlafen in Rückenlage ohne jegliche Decken und Kissen. Die Zeiten haben sich geändert, wir alle haben aus Fehlern gelernt und Maßnahmen wurden ergriffen. So auch in der Haltung der Delfine oder anderer Zootiere. In den letzten 10 Jahren wurden 11 Jungtiere im Delfinarium geboren, davon leben 7. Das ist eine Überlebensrate von 64%. Ein letzter Bericht dazu aus der Wildbahn erschien 2014, aus dem Doubtful Sound, Neuseeland. Hier überlebten 67% der Kälber das erste Jahr, aber nur 40% das dritte Lebensjahr. Die letzten im Duisburger Delfinarium geborenen Delfine, Debbie und Dobbie, sind noch zu jung, aber sie sind topfit und es ist nicht davon auszugehen, dass die 64% Überlebenden sobald sterben werden.

Schade, dass sich weder Frau Reichardt noch Frau Ade jemals mit den Verantwortlichen im Zoo unterhalten haben und Frau Reichardt leider nur eine sehr einseitige Darstellung des Themas mit vielen Falschinformationen fabriziert hat.

Mit bestem Gruß,
K. Ternes
Leitende Zootierärztin
Fachtierärztin für Zoo- und Wildtiere
Dipl. ECZM (Zoo Animal Health)
Zoo Duisburg

– Pressemeldung des Zoo Duisburg –

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2 Kommentare "Zoo Duisburg: Offener Brief an die WAZ zum Artikel „Artenschutz oder Tierquälerei?“ vom 13.4.2017"

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