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Infrastruktur zu lange auf Verschleiß gefahren: Behinderungen für die Wirtschaft im Ruhrgebeit

Fahrlässige Personalplanung: Mangelverwaltung in höchster Vollendung!
Von Petra Grünendahl

Dass die Verkehrsinfrastruktur bröckelt, merkt der Bürger dort, wo es ihn persönlich beeinträchtigt: An der A40-Brücke zum Beispiel. Weniger offensichtlich sind beispielsweise Schäden an Wasserstraßen, die in erster Linie den Gütertransport und damit die Wirtschaft treffen. Schon kleine Schäden an können hier große Wirkung haben. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) hat die Nutzung der Nischenpoller in der Schleuse Friedrichsfeld (Voerde-Emmelsum) am Wesel-Datteln-Kanal untersagt. Die Poller stammen ebenso wie alle sechs Schleusenbauwerke am Kanal aus den 1930er-Jahren. Binnenschiffer können ihre Schiffe während des Schleusenvorgangs nicht mehr festmachen, da die Poller die Zugkräfte der Schiffe nicht mehr aufnehmen können. „Die Kapazitäten der Schleusen können so nicht mehr optimal genutzt werden“, erklärte Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). Pro Schleusenvorgang wird nur noch ein Schiff geschleust, statt zwei oder – je nach Größe – sogar drei. „Das verlängert Durchlaufzeiten in der Logistikkette, verlängert Gütertransporte und macht sie unplanbar“, erläuterte Stefan Paul, Geschäftsführer des Trianel Kohlekraftwerks in Lünen, welches über den Wesel-Datteln-Kanal beliefert wird.

Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt hatte auf das Schulschiff Rhein im Stadthafen Homberg eingeladen. Foto: Petra Grünendahl.

Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) hatte Vertreter von Industrie (Evonik, Trianel und RWE), Schifffahrtsgewerbe (Reedereien) und WSV eingeladen, um über die aktuelle Situation am Wesel-Datteln-Kanal zu beraten. Im Pressegespräch erläuterten die beteiligten Vertreter aus Wirtschaft und Verwaltung die Ergebnisse der Gespräche und ihre Forderungen für die Erhaltung und Sanierung der Wasserstraßen im westdeutschen Kanalnetz.

Der 60 Kilometer lange Wesel-Datteln-Kanal verbindet als Hauptverkehrsschlagader den Rhein an der Lippemündung (Kreis Wesel) mit dem Dortmund-Ems-Kanal und wichtigen Industriebetrieben im Ruhrgebiet. Rund 20 Mio. Tonnen Güter werden transportiert, u. a. zum Chemiepark Marl (Evonik) und zu verschiedenen Kraftwerken (RWE, Trianel), die das Ruhrgebiet und seine Industrie mit Strom versorgen. Eine Verlegung von Gütertransporten auf dem wenige Kilometer südlich verlaufenden Rhein-Herne-Kanal ist nicht möglich. Auch Verlagerungen auf Schiene und Straße sind zumindest für Kohle und Chemie nicht in ausreichendem Maße praktikabel.

Der Wesel-Datteln-Kanal ist mit einem Transportvolumen von knapp 20 Mio. Tonnen p.a. die Hauptverkehrsader im Ruhrgebiet. Allein das Kraftwerk Lünen erhält mit dem Binnenschiff 35.000 Tonnen Kohle pro Woche. Foto: Rhenus Duisburg / BDB.

Forderung des BDB: Bund muss Stellen für Planungspersonal aufstocken
Alle Schleusen im nordrhein-westfälischen Kanalnetz sind mittlerweile in die Jahre gekommen. Seit fast dreißig Jahren wurde sie massiv auf Verschleiß gefahren. Für Sanierungen war über viele Jahre kein Geld da. In der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wurde zudem massiv Personal abgebaut. Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan wurden nun ausreichend Gelder für die Sanierung von Wasserstraßen-Infrastruktur bereitgestellt, allerdings fehlt in der Verwaltung das Fachplanungspersonal.

Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) in Duisburg-Meiderich ist für das westdeutsche Kanalnetz mit 137 Kilometern Wasserstraßen zuständig. „Uns fehlen alleine rund 50 Ingenieure“, so Volker Schlüter, Leiter des WSA. Er schiebt knapp 70 Sanierungsmaßnahmen vor sich her, weil ihm das Personal fehlt.

Dass die Sanierungsprobleme am Wesel-Datteln-Kanal dem Bund bereits seit rund drei Jahrzehnten bekannt sein, räumte auch Hermann Poppen von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) ein. Anstatt zu planen und zu investieren, sei die Infrastruktur einfach „auf Verschleiß“ gefahren worden. Anpassungen an den gewachsenen Schiffsraum hätten trotz mehrfacher Mahnungen nicht stattgefunden. Die Lage sei nun mittlerweile „hoch dramatisch“, so Poppen.

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Mangelverwaltung des Bundes geht zu Lasten der Wirtschaft und damit der Kommunen im Ruhrgebiet
Die Planbarkeit und Verlässlichkeit der Güterverkehre stehen für die Wirtschaftsvertreter an oberster Stelle. Jetzt angedachte Provisorien wie so genannte Festmacherdienste wären ein angemessenes, aber kostspieliges Mittel, um zumindest kurzfristig Schleusenvorgänge wieder zu beschleunigen. An 365 Tagen im Jahr über Jahre oder wohlmöglich Jahrzehnte wird es eine teure Lösung. An einer Reparatur des maroden Kanals führt kein Weg vorbei, aber der wird mangels Fachplanungspersonal auf sich warten lassen. Deshalb drängen der BDB in Zusammenschluss mit der Industrie und den Reedereien darauf, dass die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung in Berlin dem WSA Meiderich so schnell wie möglich eine ausreichende Zahl an Ingenieurstellen gewähren und entsprechend in den nächsten Bundeshaushalt einplanen. Die Großindustrie ist auf eine kontinuierliche Versorgung mit Rohstoffen und Produkten angewiesen, damit im Ruhrgebiet nicht im wahrsten Sinne des Wortes „die Lichter ausgehen“. Eine Verlagerung der Gütermengen auf Lkw würde das bereits heute hoch belastete Straßennetz im Ruhrgebiet zum Kollabieren bringen.

Über den BDB e.V.
Der 1974 gegründete Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) vertritt die gemeinsamen gewerblichen Interessen der Unternehmer in der Güter- sowie der Fahrgastschifffahrt gegenüber Politik, Verwaltung und sonstigen Institutionen. Mitglieder des BDB sind deshalb Partikuliere, Reedereien und Genossenschaften. Auch Fördermitglieder unterstützen die Arbeit des BDB. Der Verband mit Sitz in Duisburg und Repräsentanz in Berlin bezieht Stellung zu verkehrspolitischen Fragen und bringt sich aktiv in die Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein. Seit der Fusion mit dem Arbeitgeberverband (AdB) im Jahr 2013 vertritt der BDB auch die Belange der Verbandsmitglieder in arbeits-, tarif- und sozialrechtlichen sowie personal-, sozial- und bildungspolitischen Angelegenheiten und ist Tarifvertragspartner der Gewerkschaft Verdi. Der BDB betreibt das in Duisburg vor Anker liegende Schulschiff „Rhein“ – eine europaweit einzigartige Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtung für das Binnenschifffahrtsgewerbe.

© 2018 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (1), Rhenus Duisburg /BDB (1)

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