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Loveparade: Stiftung Duisburg 24.7.2010 zog zum achten Jahrestag eine Bilanz ihrer Arbeit

Stiftung bietet Notfallseelsorge beim Prozess –
für Besucher, Nebenkläger und Zeugen

Von Petra Grünendahl

Bericheten vor dme achten Jahrestag von der Arbeit der Loveparade-Stiftung und den Vorbereitungen für den achten Jahrestag (v. l.): Angelika Köhler, Ulrike Stender, Jürgen Thiesbonenkamp, Jürgen Widera und Rolf Karling. Foto: Petra Grünendahl.
„Wir sind froh, dass wir diese Veranstaltung aus dem Betroffenenumfeld herausnehmen konnten“, erklärte Rolf Karling. Er organisiert in diesem Jahr zum zweiten Mal mit seinem Verein Bürger für Bürger e. V. die „Nacht der 1.000 Lichter“. In „enger Verbindung und Vertrautheit mit der Stiftung“, betonte Karling. Ab 16 Uhr wird Karling am kommenden Montag zusammen mit Helfern anfangen, die Grablichter anzuzünden, damit zum Einbruch der Dunkelheit ein stimmungsvolles Licht über dem Ort liegt, wenn erste Besucherströme erwartet werden. „Es wird ein Kommen und Gehen“, so Karling aus der Erfahrung früherer Jahre. Erst nach dem (nichtöffentlichen!) Gottesdienst in der Salvatorkirche erwartet er Angehörige der Todesopfer an der Gedenkstätte. Wie schon im Vorjahr wurden die 1.000 Grablichter, die Karling mit Helfern an der Gedenkstätte entzündet, vom Hamburger Gedenklichter-Hersteller Aeterna gespendet.

Im Vorfeld zum achten Jahrestag der Katastrophe auf der Loveparade informierte die Stiftung Duisburg 24.7.2010 über den Jahrestag und die Entwicklungen des vergangenen Jahres. Zu den Aufgaben der Stiftung gehört neben der Betreuung von Angehörigen und Betroffenen und der Pflege der Gedenkstätte auch die Koordination des jährlichen Gedenkens, so dass der Jahrestag alle Jahre wieder Gelegenheit bietet, Bilanz zu ziehen. Neben Rolf Karling (Bürger für Bürger) und dem Vorstand der Stiftung, Pfarrer Jürgen Widers (Ombudsmann) und Ulrike Stender (Diakonie), standen Dr. Jürgen Thiesbonenkamp (Sprecher des Kuratoriums), Diakon Richard Bannert (Koordinator der Notfallseelsorge Duisburg) und Angelika Köhler, hauptamtliche Mitarbeiterin der Stiftung, Rede und Antwort.

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Vollsperrung zum Gedenken am Unglücksort
Am Montag, 23. Juli, wird ab 18 Uhr der Tunnel an der Karl-Lehr-Straße zur die „Nacht der tausend Lichter“ voll gesperrt. Die Gedenkveranstaltung am Dienstag, 24. Juli, um 17 Uhr an der Gedenkstätte ist öffentlich. Nach dieser Veranstaltung werden die Besucher noch länger an der Gedenkstätte verweilen, so dass der Tunnel erst ab 22 Uhr wieder für den Verkehr freigegeben wird. Umleitungsempfehlungen über die Düsseldorfer Straße und den Sternbuschweg werden ausgeschildert. Fußgänger und Radfahrer können den Bereich jederzeit passieren.

Loveparade-Strafprozess und Notfallseelsorge

Bericheten vor dme achten Jahrestag von der Arbeit der Loveparade-Stiftung und den Vorbereitungen für den achten Jahrestag (v. l.): Angelika Köhler, Ulrike Stender, Jürgen Thiesbonenkamp, Jürgen Widera und Rolf Karling. Foto: Petra Grünendahl.
„Nach dem großen Medienecho zu Prozessbeginn begleitet die Presse immer noch den Prozess, wenn auch in bescheidenerem Maße“, stellte Dr. Jürgen Thiesbonenkamp fest. Dass das Zuschauerinteresse nicht annähernd den ursprünglichen Erwartungen entspricht, führte Ulrike Stender auf mehrere Umstände zurück: Zeugen oder Betroffenen, die noch als Zeugen in Betracht kommen, dürften nicht in den Gerichtssaal. Angehörige, die teils eine weite Anreise hätten, hätten teils nicht die (finanziellen) Möglichkeiten dazu, wollten aber auch andererseits wieder in ein normales Leben zurückfinden. Außerdem sei vielen auch mittlerweile klar geworden, dass ihnen der Prozess nicht die Antworten liefern könne, die sie suchten. Es werden Fehler in der Planung untersucht, um einen strafrechtlich Schuldigen zu identifizieren. Das ist nicht die Aufklärung, das sind nicht die Antworten, die Betroffene und Hinterbliebene suchen. Das könne ein Strafprozess nicht leisten, so Notfallseelsorger Bannert. Er beantworte nicht alle Fragen. Die psychische Belastung durch den Prozess sei deswegen zu groß, das wollten sich viele nicht (mehr) antun.

Gedenktstätte für Opfer der Loveparade 2010 in Duisburg am Alten Güterbahnhof.
Foto: Petra Grünendahl,
Zu Prozessbeginn habe die Stiftung an jedem Verhandlungstag zwei Leute vor Ort gehabt, erzählte Ulrike Stender: einem Notfallseelsorger und einem Psychologen. Heute wäre nur noch einer vor Ort, mit einem Zweiten auf Abruf, falls größerer Bedarf besteht. „Zwei bis drei Gespräche führt man da schon am Tag, manchmal auch vier oder fünf“, erzählte Richard Bannert. Jedes dieser Gespräche sei wichtig: Besucher, Nebenkläger, deren Anwälte, aber auch Zeugen würden das Gespräch suchen, weil sie die Katastrophe und ihre Aufarbeitung belasteten. Gerade die Zeugen habe man im Vorfeld nie als Zielgruppen für das Angebot gesehen, räumte Stender ein. Das Landgericht unterstützt die professionelle Betreuung durch hochqualifzierte Fachkräfte: Für Gespräche steht außer dem Foyer des CongressCenters der Messe Düsseldorf auch ein geschlossener Raum für mehr Privatsphäre zur Verfügung.

Hilfen für Betroffene und Vermittlung von Therapieplätzen
„Uns sprechen immer noch Leute an, die wir entweder noch nicht kennen oder die uns bislang nicht mit Problemen bekannt waren“, erzählte Vorstand Jürgen Widera. Angelika Köhler hilft in der Geschäftsstelle der Stiftung dann bei Rentenanträgen, Kostenübernahmen von Therapien bzw. bei der Suche nach Möglichkeiten finanzieller Unterstützung und bei der Vermittlung von Therapieplätzen. „Die Versorgung mit Therapieplätzen ist in Duisburg katastrophal. Bundesweit ist es in Duisburg am schwierigsten, einen Therapieplatz zu bekommen, wie uns auch das Psychotherapeuten-Team in Frankfurt, die wir für Unterstützung anfragen können, bestätigt“, erzählte Angelika Köhler. Für einen Therapieplatz habe sie schon mal über 40 Telefonate führen müssen. Bei einem anderen Hilfesuchenden habe sie mit viel Glück innerhalb weniger Tage einen gehabt. Eine große Hilfe sei für viele auch noch die Selbsthilfegruppe, die sich immer noch alle zwei Wochen trifft. „Das Gespräch mit anderen Betroffenen tut ihnen gut“, so Köhler.

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Verein Lopa2010 e. V. schießt wieder gegen die Stiftung

Gedenktstätte für Opfer der Loveparade 2010 in Duisburg am Alten Güterbahnhof.
Foto: Petra Grünendahl,
Am Morgen des Pressegesprächs hatte sich der Betroffenen-Verein Lopa2010 e. V. mit einer eMail an die Presse gewandt, in der sie bekannte (und wieder einmal nachweislich falsche) Vorwürfe gegen die Stiftung erhoben. „Von dieser kleinen Gruppe an Leuten hat sich nie jemand bei uns gemeldet und um Hilfe geben“, erklärte Angelika Köhler, Geschäftsstellenmitarbeiterin der Stiftung, die sich seit der ersten Beratungsstelle der Stadt Duisburg für Opfer der Loveparade einsetzt und somit am besten über die geleistete Unterstützung Bescheid weiß.

Auch Rolf Karling fand deutliche Worte für Kreis von sieben, acht Leuten, die die Stiftung schon früher angegriffen und verleumdet hatten. Karling engagiert sich seit kurz nach der Katastrophe für Betroffene und für die Gedenkstätte, kennt den Personenkreis also aus erster Hand. „Das sind Menschen, denen man es nicht recht machen kann. Manch einem ging es primär darum, Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagte Karling. Im letzten Jahr seien aus diesem Kreis Drohungen zur „Nacht der 1.000 Lichter“ ausgesprochen worden, erzählte er. „Katastrophen ziehen Zerwürfnisse nach sich, zu groß sind teilweise Partikularinteressen“, brachte es auch Jürgen Thiesbonenkamp auf dem Punkt. In diesem Jahr will der Verein Lopa2010, so der Inhalt der eMail, größtenteils den Gedenkveranstaltungen am Jahrestag fern bleiben. Lediglich zur „Nacht der 1.000 Lichter“ am Vorabend würde wohl der eine oder andere erscheinen. Hier ist allerdings nicht die Stiftung Veranstalter, sondern Bürger für Bürger.

© 2018 Petra Grünendahl (Text und Fotos)

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