Gefahrenpotenziale der Rampe nicht im BlickVon Petra Grünendahl
„Die Rampe als Teil des Veranstaltungsgeländes war nicht unser Problem“, erklärte der Leitende Branddirektor Oliver Tittmann zum Planungsprozedere. Seine Aufgabe habe primär darin bestanden, für den Tag der Loveparade 2010 sicher zu stellen, dass in Notfällen Feuerwehr und Rettungsdienst trotz Straßensperren überall im Stadtgebiet in der vorgeschriebenen Zeit an Einsatzorten sein konnten – und das auch auf dem Veranstaltungsgelände der Techno-Parade. Aus diesem Grund waren er und andere leitende Beamte der Feuerwehr bei Besprechungen zu Planungen der Loveparade anwesend und involviert. Tittmann bestätigte die Einschätzung Wolfgang Rabes: „Es war Konsens gewesen, dass das Veranstaltungsgelände an den Vereinzelungsanlagen zur Karl-Lehr-Straße [Anmerkung: an der Düsseldorfer Straße im Westen und der Grabenstraße im Osten] anfing und bis zum Güterbahnhofsgelände hoch führte.“ Er sah die Tunnel als problematisch an: „Im Tunnel musste eine Stagnation des Durchflusses verhindert werden. Die Rampe ist dann kein Problem, denn sie ist breit und hell.“ Eine fatale Fehleinschätzung, wie die Ereignisse des 24. Juli bewiesen!
Die 6. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg hatte Oliver Tittmann als Zeugen im Strafprozess geladen. Der 43-Jährige ist heute als Amtsleiter Chef der Feuerwehr Duisburg. 2010 war er Stellvertreter des Amtsleiters und zum Teil in die Planungen zur Loveparade eingebunden. Nachdem Tittmann in seiner eigenen Erzählung nur grob seine Rolle in der Planung der Loveparade umriss, stieg der Vorsitzende Richter Mario Plein gleich in die Befragung ein. Er konfrontierte Tittmann chronologisch mit Aussagen und Schriftstücken, um seine Aussagen in Kontext zu anderen Aussagen und Ereignissen zu setzen. Die Polizei hatte Tittmann im Laufe der Ermittlungen mehrfach zwischen August 2010 und Dezember 2011 vernommen. Er konnte sowohl zur Planung der Veranstaltung als auch aus seinem direkten Erleben am Tag der Veranstaltung berichten. Seit Dezember 2017 müssen sich vor der 6. großen Strafkammer des Duisburger Landgerichts sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg (Bauaufsicht) und vier Mitarbeiter von Loveparade-Veranstalter Lopavent wegen fahrlässiger Tötung in 21 Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung verantworten.
Tittmann sah Rampe nicht als Gefahrenquelle
Oliver Tittmann sprach der Rampe eine ausreichende Breite zu, die aus den beiden Tunneln von je 15 Metern Breite kommenden Menschenmassen aufnehmen zu können. [Anmerkung: Sie hatte damals eine Breite von ca. 28 Schritt.] Das ging schon deshalb an den Realitäten vorbei, weil die Rampe nach oben hin enger wurde. Zusätzlich bildeten seitlich ansteigenden Böschungen weiter oben an der Rampe einen Flaschenhals (siehe auch hier: https://duisburgamrhein.wordpress.com/warum/professor-schreckenberg/). Quer stehende Zäune verengten den Durchgang weiter. Da hätte man vielleicht bei der Ortsbegehung des Tunnels am 24. Juni, die Richter Plein bei der Zeugenbefragung ansprach, mal drauf schauen sollen. Außerdem waren zur Loveparade auf der rechten Seite die Rampe hoch hinter einem Bauzaun Polizeiwagen geparkt. Von der Einstiegsbreite unten am Tunnel [besagte „28 Schritt“] blieb weiter oben vielleicht ein Drittel übrig …
Die Mannschaftswagen der Polizei-Hundertschaften standen dort, um im Falle eines Starkregens die Rampe oben abriegeln zu können, um zu verhindern, dass Leute in Massen unten in den Tunneln Schutz suchen, während von den anderen Seiten der Tunnel Leute Richtung Veranstaltungsgelände strömen. Dort hätten parallel die Vereinzelungsanlagen dicht gemacht werden sollen. Damit wollte man ein Szenario verhindern, welches sich in Dortmund Menschenleben gefährdet hatte (https://www.rundschau-duisburg.de/2018/08/14/loveparade-strafprozess-ifr-leiter-klaus-juergen-schaefer-hatte-vor-tunnel-und-rampe-gewarnt/). Bei einem Personalwechsel hätten diese Fahrzeuge allerdings auf der Rampe verbleiben sollen, so Tittmann. Dies hätte ihm auch die Polizei zugesichert. Der Personalwechsel hatte dann in der Realität doch mit den Fahrzeugen stattgefunden, was die ohnehin angespannte Lage an Rampe und Tunnel weiter verschärft hatte, als die Einsatzfahrzeuge zum Wechsel dort hindurch fuhren.
Entfluchtung und Rettungswege vom Gelände
An Breite der Rettungswege für den Fall einer nötigen Evakuierung verlangte die Bauaufsicht für ihre Genehmigung 440 Meter. Darstellen ließen sich aber nur 150 Meter. So verlangte das Bauamt neue Gutachten zum Brandschutz (Dr. Jaspers) und eine Entfluchtungsanalyse (Dr. Klüpfel, TraffGo) für das Veranstaltungsgelände. Hier legte Richter Plein Schriftstücke vor, zu denen Oliver Tittmann bestätigte, dass Lopavent und Loveparade-Hauptsponsor Rainer Schaller (McFit) von den zusätzlichen Auflagen nicht begeistert waren und sie als unnötige Kostentreiber ansahen. Gemacht wurden diese Gutachten schließlich doch. Die Rampe als Gefahrenpotenzial hatten aber auch die Gutachter nicht im Visier.
An manche Einzelheiten konnte sich Oliver Tittmann mitunter nicht erinnern nach so langer Zeit. Vieles habe er damals verdrängt, sagte Duisburgs leitender Feuerwehrmann. Das muss man ihm glauben: Bekanntlich war er an jenem Abend als Gesamteinsatzleiter der Feuerwehr vor Ort im Einsatz.
© 2018 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (5),Matthias Graben / FUNKE Foto Services (1), Google Streetview August 2008
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