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Loveparade-Strafprozess: Polizeieinsatzleiter Jörg Schalk sagte aus

Welche Rolle spielte die Polizei in der Planung?
Von Petra Grünendahl

Aus Platzgründen findet das Strafverfahren gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg im CongressCenter der Messe Düsseldorf (CCD) statt. Foto: Petra Grünendahl.
„Das ist ja schon wieder einer, der von Veranstaltungssicherheit keine Ahnung hat“, schimpfte ein ständiger Zuhörer, der selber mit Veranstaltungen und Sicherheit zu tun hat und dafür auch entsprechende Schulungen zum Thema besuchen musste. „Jeder Schulleiter muss so eine Schulung bei der Berufsgenossenschaft machen, damit in seiner Aula mit ein paar Hundert Kindern nichts passiert. Und hier haben Leute geplant, die das entsprechende Fachwissen gar nicht haben.“ Schon bei früheren Verhandlungsterminen hatte er – nennen wir ihn: Jan – solche Aussagen gemacht: „Warum müssen sich Leute, die so etwas von Amts wegen planen oder für solche Planungen als Amtsleiter verantwortlich sind, nicht entsprechend kundig machen. Es gibt Schulungen dafür!“

Polizeieinsatzleiter Jörg Schalk. Foto: Lukas Schulze / Funke Foto Services.
Im Strafverfahren gegen „Dressler und andere“ hatte die 6. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg den Polizeibeamten Jörg Schalk als Zeugen geladen. Der damalige polizeiliche Leiter des Führungsstabs am Veranstaltungstag ist der erste Polizeibeamte im Zeugenstand. Seine Vernehmung ist für insgesamt fünf Prozesstage angesetzt. „Ich hoffe, nicht nur dem Gericht, sondern auch Angehörigen und Betroffenen Antworten liefern zu können“, erklärte der 55-Jährige. Der Vorsitzende Richter Mario Plein ließ Schalk zunächst erzählen, wobei sich dieser zunächst beschränkte auf die den Aufgaben, die er in der Planungsphase wahrnahm – und die sich primär in der Vorbereitung darum drehten, welche Aufgaben die Polizei am Veranstaltungstag zu spielen hätte. Am 24. Juli selber habe er die Spätschicht im Polizeiführungsstab übernommen.

Der Vorsitzende Richter Mario Plein, von der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg, flankiert von zwei beisitzenden Richterinnen. Foto: Lars Heidrich / Funke Foto Services.
Danach hakte Richter Plein mit Fragen nach, versuchte chronologisch die Planungen aufzuarbeiten ab dem Zeitpunkt im März 2010, an dem Schalk dort aktiv eingebunden war. Plein konfrontierte den Polizeieinsatzleiter chronologisch mit Aussagen (auch früheren eigenen Aussagen) und mit Schriftstücken, um seine Aussagen in Kontext zu anderen Aussagen und Ereignissen zu setzen. Sehr ausführlich fragte er insbesondere nach, welche Rolle die einzelnen Angeklagten in der Planung gespielt hatten und wie der Zeuge sie dabei wahrgenommen hatte. Seit Dezember 2017 müssen sich vor der 6. großen Strafkammer des Duisburger Landgerichts sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg (Bauaufsicht) und vier Mitarbeiter von Loveparade-Veranstalter Lopavent wegen fahrlässiger Tötung in 21 Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

Auch an der Polizei vorbei geplant

Aus Platzgründen findet das Strafverfahren gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg im CongressCenter der Messe Düsseldorf (CCD) statt. Foto: Petra Grünendahl.
Auch Jörg Schalk bestätigte, dass allgemeiner Konsens gewesen sei, dass die Zuwege zum Veranstaltungsgelände nur bis zu den Vereinzelungsanlagen reichten. Damit endeten die Zuständigkeiten von Polizei, Feuerwerk und Ordnungsamt an den Sperren zur Karl-Lehr-Straße (Düsseldorfer Straße bzw. Grabenstraße / Kommandantenstraße). Die Polizei auf dem Veranstaltungsgelände war für kleinere Straftaten und Delikte zuständig, die sich in solchen Massenveranstaltungen ereignen (z. B. Diebstähle, sexuelle Übergriffe etc.). Die Sicherheit des Veranstaltungsgeländes lag in der Verantwortung von Lopavent, also auch im Tunnel und auf der Rampe.

Wenn das Veranstaltungsgelände wegen erreichter Auslastung gesperrt werden sollte, sollten auch gleichzeitig die Eingänge an den Vereinzelungsanlagen geschlossen werden, so Schalk. Erst in einem späten Sicherheitskonzept (vom 28. Juni 2010), bei dem die Polizei bei der entsprechenden Arbeitskreissitzung (AG Sicherheit) weder anwesend noch involviert war, hieß es: Diese Sperren hätten „in Absprache mit der Polizei“ geschehen, sagte der Polizeibeamte. Von dieser Regelung habe er damals nichts gewusst – und auch erst in der der Aufarbeitung nach der Katastrophe davon erfahren, so Schalk. Und: „Diese Verantwortung hätten wir gar nicht haben wollen.“

Für das Veranstaltungsgelände brauchte Loveparade-Veranstalter Lopavent eine Genehmigung nach Sonderbauverordnung (früher: Veranstaltungsstättenverordnung). Für diese musste nachgewiesen werden, dass es für die Besucher im Ernstfall ein Brandschutzkonzept sowie ausreichend Fluchtwege vom oberen Veranstaltungsgelände gab. Diese Genehmigung verlangte nicht nach Nachweisen über ausreichende Zu- und Abwege für den regulären Zugang zum Gelände. Diese Zu- und Abwege lagen aber auf den entscheidenden Metern auch nicht in der Verantwortung von irgendjemand sonst.

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Zwischenbilanz: Ein Kommentar
Die Veranstaltung war „politisch gewollt“, wie mehrere Zeugen i m Loveparade-Strafprozess bestätigten. Direkten politischen Druck auf die Verwaltung habe es aber nicht gegeben, so bisherige Zeugen. Loveparade-Veranstalter Lopavent hatte ein dringendes Interesse, dass die Veranstaltung stattfindet. Entsprechend erwarteten sie Entgegenkommen bei der Stadt in Bezug auf die Genehmigung (Brandschutz und Fluchtwege), wie auch schon in früheren Aussagen deutlich geworden war. Erfahrungen aus Veranstaltungsorganisation brachten sie mit: Jörg Schalk schilderte sie als kompetente Ansprechpartner. Aber auch sie hatten nie eine solche Großveranstaltung auf einem geschlossenen Areal geplant und durchgeführt.

Was sich so langsam nach vielen Zeugenaussagen herausschält, ist die Erkenntnis, was nötig gewesen wäre: Eine übergeordnete Koordination und eine Führungsperson hier vor Ort, die mit Sachverstand und der nötigen Fachkenntnis aus Schulungen zur Sicherheit von solchen Großveranstaltungen die Fäden in der Hand gehabt hätte. Mit „das war nicht unsere Baustelle!“ schieben die an der Planung beteiligten Verantwortlichkeiten hin und her – bloß immer weit weg von sich selbst. Jeder hatte nur seine Zuständigkeit im Sinn. Und keiner der bislang gehörten, im Planungsverfahren direkt Beteiligten konnte mit Fachwissen zur Veranstaltungssicherheit glänzen, wie Jan als kundiger Beobachter immer wieder hervorhob.

© 2018 Petra Grünendahl (Text)
Foto: Petra Grünendahl (2), Lukas Schulze / Funke Foto Services (1), Lars Heidrich / Funke Foto Services (1)

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