Aufklärung heißt nicht, einen strafrechtlich Schuldigen finden zu müssenVon Petra Grünendahl
Seit dem Dezember des vorletzten Jahres läuft vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg der Prozess gegen „Dressler und andere“. Sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg (Bauaufsicht) und vier Mitarbeiter von Loveparade-Veranstalter Lopavent GmbH müssen sich wegen fahrlässiger Tötung in 21 Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Viele Zeugen sind seitdem vernommen worden, die entweder an den vorbereitenden Planungen zur Loveparade 2010 in Duisburg involviert waren und/oder an der Sicherung der Veranstaltung selber teilgenommen hatten. Das Bild, welches der Vorsitzende Richter Mario Plein, seine beiden beigeordneten Richterinnen sowie die Schöffen bekommen, zeigt immer deutlicher, dass es kaum zu Verurteilungen kommen kann. Keinem der zehn Angeklagten konnte bislang auch nur im Ansatz eine strafrechtliche Schuld für ihre Handlungen nachgewiesen werden. Das dürfte der Hintergrund sein, warum der Vorsitzende Richter die Prozessbeteiligten für den 16. Januar zum Rechtsgespräch eingeladen hat.
KOMMENTAR
Angehörige der Toten oder Betroffene, die teilweise unter den Folgen ihrer Verletzungen bis heute leiden, sind enttäuscht über das, was der Prozess in ihren Augen an Ergebnissen hergibt. Sie wollen Aufklärung, die sie eher in der Feststellung einer strafrechtlichen Schuld suchen. Das ist vielleicht etwas kurzsichtig, denn eine Aufklärung findet vor Gericht sehr wohl statt. Nur eben wird sie sich möglicherweise in keiner Verurteilung niederschlagen können. Denn eine so eindeutig zuzuweisende individuelle, strafrechtlich relevante Schuld, wie sie das Gesetz fordert, gibt es hier eben nicht.
Die Aufklärungsarbeit, die der Vorsitzende Richter Plein seit über einem Jahr mit Hilfe der Zeugen leistet, ergibt nämlich, dass die Fehler, die zur Katastrophe mit 21 Toten und Hunderten Verletzten führten, letztendlich nicht an einzelnen Personen festzumachen sind. Und: Dass sie nicht in erster Linie in Reihen der für die Planung und Genehmigung Verantwortlichen zu suchen ist. Er habe schon kritischere Veranstaltungsplanungen gesehen, die letztendlich problemlos über die Bühne gegangen seien, hatte Dr. Carsten Hesse ausgesagt. Der Crowdmanager war auf Seiten des Veranstalters für den gesamten Einlassbereich zuständig. Will heißen: Es hätte auch gut gehen können.
Wenn man so an Planungen heran geht, darf man sich nicht wundern, wenn Probleme nicht angesprochen oder gelöst werden. Es hätte eine übergeordnete Instanz mit der entsprechenden Fachkompetenz gebraucht, die die Fäden in der Hand hielt und den Überblick hatte. Die gab es nicht. Geplant wurde letztendlich klein-klein: Hier ein Problemchen aus dem Weg geräumt, dort ein anderes. Der Veranstalter Lopavent, der nie eine Loveparade auf einem geschlossenen Gelände durchgeführt hatte, erwartete „Entgegenkommen“ bei Problemlösungen. Einen Überblick scheint aber auch dort – ähnlich wie bei den Planern um die Stadtverwaltung Duisburg –, niemand gehabt zu haben. Der kritische Zugang zum Festgelände war auch dort wohl unterschätzt worden. Denn hätte man sich im Vorfeld ernsthaft mit dem Nadelöhr „Zugang“ befasst, hätte diese Veranstaltung nie genehmigt werden dürfen.
Foto: Petra Grünendahl,
© 2019 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (2), Lars Heidrich / Funke Foto Services (1)
2 Kommentare "Loveparade-Strafprozess: Landgericht Duisburg lädt zum Rechtsgespräch – ein Kommentar"
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