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Loveparade-Strafprozess: Landgericht Duisburg macht Inhalte des Rechtsgesprächs öffentlich

Schuldhaftes Verhalten nicht nur der Angeklagten für Katastrophe ursächlich
Von Petra Grünendahl

Der Vorstizende Richter Mario Plein (mitte) mit zwei beisitzenden Richtern beim Loveparade-Strafprozess im Gerichtssaal im Congress Center Düsseldorf. Foto: Lars Heidrich / Funke Foto Services.
Der Prozess habe zur Aufklärung der Geschehnisse bei der Loveparade 2010 mit ihren 21 Toten und Hunderten Verletzten beigetragen, sagte der Vorsitzende Richter Mario Plein. Es sei richtig gewesen, die zehn Personen anzuklagen und es bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass diese für das Unglück mitverantwortlich seien. Gesetzliche Vorgaben zur sicheren Durchführung von Großveranstaltungen habe es noch nicht gegeben. In der Planung der Veranstaltung hätten sich die Angeklagten unter anderem auf Fachleute beteiligter Behörden und Sachverständige vertraut. Richter Plein schloss ein Mitverschulden Dritter nicht aus, da bei der Vielzahl der involvierten Personen (Ordnungsamt, Feuerwehr, Polizei, Deutsche Bahn) niemand auf die Gefahren der Zuwegung hinwies: Zum Ende seien von Niemandem Bedenken geltend gemacht worden! Fehler seien aber nicht nur bei der Planung, sondern auch bei der Durchführung gemacht worden. Auch diese Fehlentscheidungen vor Ort seien für das Geschehen mit verantwortlich zu machen.

Aus Platzgründen findet das Strafverfahren gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg im CongressCenter der Messe Düsseldorf (CCD) statt. Foto: Petra Grünendahl.
Die Zahl der Zuschauer hielt sich in überschaubaren Grenzen, als die 6. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg im Gerichtssaal des Congress Centers Düsseldorf einen Vermerk über die Inhalte des Rechtsgesprächs vom Vortag vortrug. Umfassender vertreten waren die Vertreter der Presse, als der Vorsitzende Richter Mario Plein einen 41 Seiten langen Vermerk vortrug, der das Gespräch zusammenfasste. Nach 96 Verhandlungstagen hatte der Richter angeregt, einen Verfahrenseinstellung im Loveparade-Strafverfahren nach §153 und §153a StPO (Strafprozessordnung) in Betracht zu ziehen und seine Gründe den Staatsanwälten, Nebenklagevertretern und Verteidigern dargelegt. Nach 58 Zeugenvernehmungen wären nach Darstellung des Gerichts noch mindestens 575 weitere Zeugen zur Entscheidungsfindung zu hören: Zu viele, um sie alle vor der Verjährung am 27. Juli 2020 anzuhören. Zwar schloss er eine strafrechtliche Schuld einzelner Angeklagter nicht aus, allerdings müsste man vielen weiteren an der Planung oder Durchführung der Loveparade ein schuldhaft pflichtwidrigen Verhaltens ankreiden. Dies würde zu einer geringen bis mittleren Schuld der Angeklagten führen – und bei dieser geringen Schuld sei ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung mit Auflagen zu beseitigen.

Aufklärung nicht Sache des Gerichts

Die Rampe zum Loveparade-Gelände nach der Katastrophe. Foto: Petra Grünendahl.
Aus präventiven Gründen müsse der Prozess nicht fortgeführt werden, so die Staatsanwaltschaft Duisburg. Schließlich gibt es mittlerweile gesetzliche Grundlagen für die sichere Planung von Großveranstaltungen im Freien. Auch wird wohl nie wieder jemand gedankenlos über Sicherheitsbedenken hinwegsehen, die es ja im Vorfeld der Loveparade durchaus gegeben hatte. Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff stimmte zu, auch andere hätten Fehler gemacht und er sehe kein vorsätzliches Verhalten der Angeklagten, auch wenn die Staatsanwaltschaft nicht von geringer Schuld ausginge. Man habe aber den Eindruck gewinnen können, dass für den Bereich hinter den Vereinzelungsanlagen bis hoch auf die Rampe [in der vorbereitenden Planung] niemand zuständig war. Dort war es am 24. Juli 2010 zur Katastrophe mit 21 Toten und Hunderten Verletzten gekommen.

Gedenktstätte für Opfer der Loveparade 2010 in Duisburg am Alten Güterbahnhof.
Foto: Petra Grünendahl,
Ein Nebenkläger-Anwalt hatte im Rechtsgespräch angeführt, seine Mandanten (Eltern) seien mit dem Prozessverlauf zufrieden: Er habe ihnen Aufklärung gebracht. Ein anderer Rechtsanwalt führte an, Schuldfrage und Strafe seien der Sinn eines Prozesses, nicht die Aufklärung: Diese müsse an anderer Stelle stattfinden. Ein Dritter meinte, man müsse zwischen den Angeklagte differenzieren, da ihre Beiträge zur Planung unterschiedlichen Umfang gehabt hätten. Eine „Paketlösung“ würde von der Anklage bevorzugt, hatte Oberstaatsanwalt Mühlhoff angemerkt. Dies sei aber auch nach einem frühzeitigen Ausscheiden einzelner Angeklagter aus der Strafverfolgung möglich. Allerdings wünschten sich sowohl die Anklage als auch die Nebenkläger, dass sich die Angeklagten zur Sache äußern sollten. [Anmerkung: Die Angeklagten können die Aussage verweigern, um sich nicht selber zu belasten. Ein Recht, von dem sie verständlicherweise Gebrauch machen.]

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Seit Dezember 2017 müssen sich sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg (Bauaufsicht) und vier Mitarbeiter von Loveparade-Veranstalter Lopavent GmbH vor dem Landgericht Duisburg wegen fahrlässiger Tötung in 21 Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten haben nun Gelegenheit, auf der Grundlage der gerichtlichen Hinweise bis zum 5. Februar Erklärungen zu den aus ihrer Sicht vorstellbaren Bedingungen einer Verfahrenseinstellung abzugeben. In der Fortführung des Prozesses wird wie geplant am 30. Januar ein weiterer Polizeibeamter vernommen werden.

© 2019 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Lars Heidrich / Funke Foto Services (1), Petra Grünendahl (3)

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