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Loveparade-Strafprozess: Duisburgs ehemaliger Baudezernent Jürgen Dressler sagte aus

An Planung, Genehmigung und Durchführung nicht beteiligt
Von Petra Grünendahl

Aus Platzgründen findet das Strafverfahren gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg im CongressCenter der Messe Düsseldorf (CCD) statt. Foto: Petra Grünendahl.
„Wenn mich die Staatsanwaltschaft Köln bei ihren Ermittlungen vernommen hätte, wüssten Sie, dass ich nichts zur Aufklärung beitragen kann”, erklärte Duisburgs ehemaliger Baudezernent Jürgen Dressler. Der heute 72-Jährigen sagte zum ersten Mal zu den Geschehnissen vor und bei der Loveparade 2010 im Gerichtssaal aus. Eine frühere Vernehmung habe es zu seinem Bedauern nicht gegeben. Gleich zu Beginn stellte Dressler klar, dass er weder an der Planung noch an Genehmigung oder Durchführung der Loveparade in irgendeiner Art und Weise beteiligt gewesen sei. Die drei noch verbliebenen Angeklagten, die als Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent in die Planungen eingebunden waren, habe er erst im Verfahren auf der Anklagebank kennen gelernt, erklärte er. Über ein „Guten Tag“ und „Wie geht’s?“ hinaus, so Dressler, habe er keinerlei Kontakt zu ihnen gehabt. Am Tag der Loveparade habe er zu Hause den Geburtstag seiner Frau gefeiert, sagte der Pensionär. Am Morgen des Folgetags habe Oberbürgermeister Adolf Sauerland ihn angerufen und gebeten, an der Pressekonferenz teilzunehmen. „Das habe ich abgelehnt“, so Dressler.

Der Vorsitzende Richter Mario Plein von der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg, flankiert von zwei beisitzenden Richterinnen beim Loveparade-Strafprozess. Foto: Lars Heidrich / Funke Foto Services.
Im Strafprozess zur Loveparade-Katastrophe von 2010 hatte die die 6. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg den damaligen Baudezernenten Jürgen Dressler als Zeugen geladen. Gegen sieben der zehn Angeklagten – darunter auch Dressler – war zu Jahresbeginn das Verfahren ohne Auflagen eingestellt worden. Die Übrigen wollten sich nicht auf eine Verfahrenseinstellung gegen Auflagen einlassen, so dass gegen die drei damaligen Mitarbeiter der Lopavent GmbH wird wegen fahrlässiger Tötung in 21 Fällen und fahrlässiger Körperverletzung weiter verhandelt wird. Nach dem ehemaligen Kreativdirektor der Lovavent, der im Mai ausgesagt hatte, ist Dressler jetzt der erste der ehemaligen Angeklagten aus Reihen der Stadt Duisburg, die in den Zeugenstand geladen werden. Der Vorsitzende Richter Mario Plein ließ Dressler wie gehabt zunächst erzählen, wie er mit der Loveparade in Verbindung gestanden hatte, bevor er gezielt nachfragte und ihm aus den Ermittlungsakten Sachverhalte vorhielt.

Dresslers freie Erzählung war kurz: zu den Sachverhalten von Planung, Genehmigung und Durchführung könne er keine Aussage machen, da er nicht involviert gewesen sei. Interessante Angaben machte er trotzdem: So war ihm von Rainer Wendt, dem aus Duisburg stammenden Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, zugetragen worden, dass es einen Beschluss im NRW-Innenministerium gegeben habe, dass nicht gegen die Polizei ermittelt würde. Zu Beginn der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Köln war auch nur gegen einen Polizeibeamten ermittelt, dass Verfahren aber vor der Klageerhebung eingestellt worden.

 
Bauaufsicht dem Ordnungsdezernenten unterstellt

Gedenktstätte für Opfer der Loveparade 2010 in Duisburg am Alten Güterbahnhof.
Foto: Petra Grünendahl,
Mehrfach wehrte sich Jürgen Dressler gegen die Wortwahl des Richters, das Amt für Baurecht und Bauberatung (Amt 62) habe zu seiner Zuständigkeit gehört und sei im unterstellt gewesen. „Die Bauaufsicht ist eine staatliche Aufgabe, die der Bezirksregierung unterstellt ist“, machte er klar, auch wenn die Ansiedlung des Amtes in seinem Dezernat andere Schlüsse zuließe. Seine Aktenvermerke auf Schriftstücken in den Ermittlungsakten seien Sachverhalte, auf die ihn seine Amtsleiterin hingewiesen hatte, und Entgegnungen (Remonstrationen) gewesen, weil „seinem“ Amt 62 unterstellt worden war, inkompetent und borniert zu sein: „Die Bauaufsicht dient nicht der Beliebigkeit der Antragsteller“, machte Dressler klar. Ein Entgegenkommen in Sicherheitsfragen, um die Veranstaltung zu ermöglichen, hatte die Mitarbeiter zu Recht abgelehnt. Das Bauordnungsamt sei keine planende Behörde, sondern eine genehmigende Behörde: „Die Nutzbarkeit des Geländes für eine Veranstaltung zu prüfen, ist die Aufgabe der Bauaufsicht nach der Versammlungsstättenverordnung“, so Dressler. Man habe weder die Veranstaltung geplant noch eine Veranstaltungsgenehmigung erteilt, sondern eine Baugenehmigung für die vorübergehende Nutzungsänderung eines geschlossenen (Privat-)Geländes. Und als Baugenehmigung sei sie mit der Sorgfalt höchst kompetenter Sachbearbeiter geprüft worden, verteidigte Dressler die Mitarbeiter der Bauaufsicht.

 
Politisch gewollt

Rathaus am Burgplatz. Foto: Petra Grünendahl.
Die Veranstaltung sei politisch gewollt gewesen als Leuchtturmprojekt im Kulturhauptstadtjahr: Nicht nur von der Landesregierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), sondern auch von den Parteien in Duisburg: „Einen Erfolg der Loveparade sollte sich besonders für die CDU positiv auswirken“, so Dressler wörtlich. Auch bei den anderen Parteien habe es keine Opposition zur Loveparade gegeben: Keine Partei wollte allein der CDU das Sonnen im Erfolg gönnen oder zum Spielverderber werden für das große Techno-Spektakel.

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Unmittelbaren Druck habe er allerdings nicht bemerkt, auch wenn der damalige Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe als verantwortlicher Koordinator der Planungen immer wieder hervorgehoben hatte, dass Oberbürgermeister Adolf Sauerland die Veranstaltung wünsche und man dem Veranstalter entgegen kommen müsse. Außer Bedenken vom ehemaligen Polizeipräsidenten Rolf Cebin, zu dem er damals in seiner Nachbarschaft Kontakt hatte, seien ihm keine Bedenken bekannt gewesen, sagte Dressler. Und auch die von Cebin habe er nur in einem persönlichen Gespräch auf der Straße wahrgenommen. Was wenig wundert, denn nach eigener Aussage war Dressler in die Vorbereitungen nicht involviert gewesen. Die Zuständigkeit für Amt 62 (Bauaufsicht) im Zusammenhang mit der Baugenehmigung für den alten Güterbahnhof hatte OB Sauerland am 3. März 2010 an den Beigeordneten Rabe delegiert, der den Lenkungskreis für Planungen und Genehmigung koordinierte. Das entsprechende Schriftstück findet sich in den Ermittlungsakten und wurde auch hier wieder zitiert. Da wundert sich der Beobachter schon, warum Jürgen Dressler überhaupt auf der Anklagebank gesessen hatte!

© 2019 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (3), Lars Heidirch / Funke Foto Services (1)
 


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