Weitere Behin-derung des Verfahrens durch die Corona-Pandemie: Gericht regt Einstellung an
Die Kammer hat den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagen, das Loveparade-Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO einzustellen. Sie können zu diesem Vorschlag bis zum 20. April 2020 schriftlich Stellung nehmen.
Dem Vorschlag liegt die Würdigung mehrerer unabhängiger Umstände zugrunde:
Für den Fall einer Fortführung wäre mit einer erheblichen Dauer des weiteren Verfahrens zu rechnen. Durch die wahrscheinlich zugleich erforderliche Begrenzung der Sitzungsdauer könnte allein die für ein Urteil notwendige Einführung des Gutachtens des Sachverständigen Professor Dr. Gerlach zahlreiche zusätzliche Sitzungstage in Anspruch nehmen. In ihre Überlegungen hat die Kammer die Ergebnisse des schriftlichen Gutachtens bereits einbezogen. Professor Dr. Gerlach hat gegenüber dem Gericht schriftlich erklärt, dass sich durch die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise gegenüber seinen bisherigen Einschätzungen keine wesentlichen Änderungen ergeben.
Unabhängig von dem Gutachten wäre es erforderlich, mehrere Nebenkläger zu vernehmen und eine Reihe von psychiatrischen Sachverständigen zu hören. Auch dies wäre mit einer erheblichen Gefährdung aller Verfahrensbeteiligten verbunden. Dazu käme die starke psychische Belastung für einige Nebenkläger.
Sollten die für eine Einstellung erforderlichen Zustimmungen erteilt werden und sich aus den Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten keine Änderungen an der derzeitigen Auffassung des Gerichts ergeben, würde das Verfahren eingestellt. In diesem Fall beabsichtigt die Kammer, die von ihr gewonnenen Erkenntnisse zu den Geschehnissen um die Loveparade 2010 in einem schriftlichen Beschluss zusammenzufassen und dessen Inhalt im Rahmen einer zeitlich begrenzten Hauptverhandlung vorzutragen.
Der nächste Sitzungstermin ist auf den 21. April 2020 bestimmt. Ob er stattfinden kann, ist wegen der Corona-Pandemie noch unklar.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17
Landgericht Duisburg
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Duisburg: Statement zu dem Inhalt des Schreibens des Gerichts vom 7. April 2020
Wir werden den Vorschlag und die Argumentation der Kammer sorgfältig prüfen und innerhalb der eingeräumten Frist entscheiden, ob die Einstellung des Verfahrens in Betracht kommen könnte.
Sobald die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ergangen und dem Gericht sowie den weiteren Verfahrensbeteiligten zur Verfügung gestellt worden ist, werden wir in einer weiteren Presseerklärung selbstverständlich auch die Öffentlichkeit über den Inhalt der Stellungnahme unterrichten.
Ich bitte um Verständnis, dass wir bis dahin keine weiteren Anfragen zum Ergebnis der Prüfung beantworten können.
Staatsanwaltschaft Duisburg
Zu dem heutigen Vorschlag des Landgerichts Duisburg, den Loveparade-Prozess einstellen zu wollen, erklärt die Kanzlei Baum Reiter & Collegen Folgendes:
Wir bedauern, dass der Loveparade-Prozess nach nunmehr fast 10 Jahren Bearbeitung durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird. Außer dem Gutachten des Sachverständigen wird es keine richterlichen Feststellungen mehr geben. Die Geschädigten und die Angehörigen der Todesopfer sind maßlos enttäuscht. Dies ist ein weiterer schwarzer Tag für die Opfer und Angehörigen der Loveparade-Katastrophe.
Wir erwarten jetzt eine Abschlussdebatte des Landtags über die Konsequenzen aus dem gescheiterten Loveparade-Prozess und die Konsequenzen, die die Landesregierung aus dem Sachverständigen-Gutachten u.a. im Hinblick auf die Rolle der Polizei ziehen wird.
Rechtsanwälte baum reiter & collegen
Fotos: Petra Grünendahl (2), Lars Heidrich / Funke Foto Services (1), Anke Jacobs (1)
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