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Rechtsanwälte der Nebenklage appellieren: Loveparade-Prozess jetzt nicht einstellen!

Eine Anmerkung vorab:

Gedenktstätte für Opfer der Loveparade 2010 in Duisburg am Alten Güterbahnhof.
Foto: Petra Grünendahl,

Als ich diese Pressemeldung auf den Tisch kriegte, habe ich gedacht: Nebenkläger-Anwälte beklagen sich darüber, dass die Einstellung ihren Mandanten nicht hilft. Keine Aufklärung und keine Klärung von Schuld. Verständliche Anliegen, aber die Meldung ging darüber hinaus: ein Umstand, der mir sehr wichtig ist. Sie enthält genau die Forderung, die ich – vor einer Einstellung – sehr befürworte!

Die Anwälte fordern, noch den Sachverständigen anzuhören und damit die Ergebnisse seines Gutachten öffentlich zu machen. Das wäre zumindest die Aufklärung, die dieser Strafprozess leisten sollte!

Hier das Statement:
Die Unterzeichner der Pressemeldung sind Nebenklagevertreter im Loveparade-Strafverfahren. Wir haben zum Teil bereits in individuellen Stellungnahmen für unsere Mandanten der geplanten Einstellung des Loveparade-Verfahrens widersprochen. Mit diesem öffentlichen Appell wenden wir uns noch einmal an die 6. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg:

Wir appellieren an das Gericht, das Loveparade-Strafverfahren zum jetzigen Zeitpunkt nicht – wie geplant – einzustellen.

Im Frühjahr 2019 hatte das Gericht den Nebenklägern erneut versprochen, die Ursachen der Loveparade-Katastrophe 2010 umfassend aufzuklären. Ein wesentlicher und unverzichtbarer Schritt dazu ist die Einführung der Erkenntnisse des gerichtlich bestellten Sachverständigen Professor Dr.-Ing. Jürgen Gerlach in die Hauptverhandlung, dessen schriftliches Gutachten allein 3.800 Seiten beträgt. Dazu hatte das Gericht bereits vor der Corona-Krise Verhandlungstage reserviert.

Es gibt keinen zwingenden Grund den Loveparade-Prozess vor der Anhörung des Sachverständigen einzustellen!

Ein Gesetz, das wegen der Corona-Krise am 27. März 2020 in Kraft getreten ist, ermöglicht es der Strafkammer, „Corona bedingt“, das Strafverfahren insgesamt für bis zu drei Monate zu unterbrechen. Bereits am 2. April hat die Kammer die Verhandlung unter Verweis auf dieses neue Gesetz unterbrochen: „Das Gericht hat die Dauer der Unterbrechung zeitlich nicht eingegrenzt. (..) Theoretisch wäre (…) eine Unterbrechung bis Anfang Juni möglich. Das Gericht beobachtet die dynamische Entwicklung der Corona Pandemie fortlaufend und überprüft, ab wann eine geänderte Gefährdungslage eine veränderte Risikobewertung zulässt“. (Presseerklärung des Landgerichts Duisburg vom 02.04.2020, Hervorhebungen durch die Unterzeichner)

Nur 5 Tage nach dieser unbefristeten Unterbrechung der Hauptverhandlung wird am 7. April klar, dass die Strafkammer das Strafverfahren nicht etwa unterbrechen, sondern endgültig einstellen will. Dazu gibt weder der dynamische Verlauf der Corona-Pandemie in diesen Tagen Anlass, noch liegen dazu die gesetzlichen Voraussetzungen vor. In Nordrhein-Westfalen sind fast alle Gerichtsverhandlungen im April unterbrochen worden. Es gehe „nun darum, unter Beachtung aller fortgeltenden Regeln der Gesundheitsfürsorge Schritt für Schritt zum ursprünglichen Geschäftsbetrieb zurückzukehren.“ (Peter Biesenbach, Justizminister des Landes NRW am 19.04.2020)

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Der Loveparade-Prozess findet im Kongresszentrum der Messe Düsseldorf statt. Dort bestehen aufgrund der Größe des Saals bessere Bedingungen als in jedem anderen Gerichtssaal im Land, um eine Hauptverhandlung auch unter den verstärkten „Corona-Bedingungen“ durchzuführen. Unter diesen hervorragenden Voraussetzungen gibt es keinen Grund, das Verfahren jetzt überstürzt einzustellen.

Das Gericht sollte vielmehr sein Versprechen vom Frühjahr 2019 jetzt einlösen. Das wichtigste Mittel der Aufklärung ist das als nächstes in die Hauptverhandlung einzuführende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach.

Die Nebenkläger und ihre Vertreter erhoffen sich von diesem Gutachten Struktur und Durchblick im Dickicht des sich mehrfach überlagernden, multikausalen Geschehens, welches letztendlich zu der Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten geführt hat.

Die Nebenkläger haben viele Fragen an den Gutachter und müssen die Möglichkeit erhalten, diese Fragen direkt an ihn in einer öffentlichen Verhandlung zu richten.

Erst nach der Einführung des Gutachtens durch Professor Gerlach und der öffentlichen Diskussion dazu kann in einem Rechtsgespräch der Fortgang des Loveparade-Verfahrens und ggf. dessen Einstellung erörtert werden.

Eine gemeinsame Erklärung von den Nebenkläger-Anwälten
Rechtsanwalt Marcus Brink, Wuppertal
Rechtsanwalt Rainer Dietz, Aachen
Rechtsanwalt Professor Dr. Thomas Feltes, Dortmund
Rechtsanwalt Erhard Heimsath, Bremen
Rechtsanwalt Dieter L. Hemmen, Münster
Rechtsanwalt Daniel Hennecke-Sellerio, Köln
Rechtsanwältin Sarah Kinzler, Düsseldorf
Rechtsanwalt Winfried Kuhlmann, Münster
Rechtsanwalt Franz Paul, München
Rechtsanwalt Christoph Pipping LL.M., Heiligenhaus
Rechtsanwalt Professor Dr. Julius Reiter, Düsseldorf
Rechtsanwalt Christian Rosse, Bremen
Rechtsanwältin Martina Worms, Aachen
Rechtsanwältin Elke Zipperer LL.M., Neunkirchen
Fotos: Petra Grünendahl

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