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Steuerschätzung: Corona-Pandemie trifft Kommunen ins Mark

Städte- und Gemeindebund NRW fordert Rettungsschirm von fünf Milliarden Euro

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Foto: Petra Grünendahl.
Die Steuerschätzer prognostizieren für 2020 die Folgejahre Steuerverluste in einem nie dagewesenen Ausmaß. „Für Kommunen brechen bittere Zeiten an“, kommentierte Dr. Bernd Jürgen Schneider, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, die heute verkündeten Zahlen der Mai-Steuerschätzung. „Die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie drohen die von den Städten und Gemeinden hart erkämpften Konsolidierungserfolge aus dem vergangenen Jahrzehnt zu pulverisieren. Selbst Kommunen, die bislang als gesund angesehen wurden, können auf absehbare Zeit ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen“ betonte Schneider.

„Es liegt zwar noch keine offizielle Regionalisierung der Schätzung für NRW vor, aber nach den Erfahrungswerten der vergangenen Jahre dürfte alleine der Rückgang der wichtigsten kommunalen Steuer, der Gewerbesteuer, in diesem und im nächsten Jahr bei deutlich über vier Milliarden Euro liegen“, rechnete der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes vor. Dies sei für das laufende Jahr ein Verlust von etwa 25 Prozent des noch zu Jahresbeginn erwarteten Aufkommens. Zum Vergleich: Als Folge der Finanzkrise zum Ende des vergangenen Jahrzehnts betrug der Rückgang der Gewerbesteuer rund drei Milliarden Euro.

Außerdem müssen Städte und Gemeinden Verluste bei der Einkommensteuer und Umsatzsteuer verkraften. Über ihre feste Beteiligung an diesen Steuern werden sie in den Jahren 2020 und 2021 auf etwa 1,9 Milliarden verzichten müssen. „Auch die fehlenden Steuereinkünfte des Landes werden die Kommunen treffen, und zwar über den kommunalen Finanzausgleich in den kommenden Jahren“, machte Schneider deutlich. „Sinken die Erträge bei den sogenannten Verbundsteuern – also Einkommensteuer, Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer – um zehn Prozent, so bedeutet das Minderzuweisungen an die Kommunen im Finanzausgleich in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro.“

Insgesamt müssten die NRW-Kommunen 2020 und 2021 voraussichtlich mit über 7,2 Milliarden Euro weniger auskommen als geplant. Die in großem Umfang wegbrechenden Gebühren und Entgelte für kommunale Einrichtungen wie Theater, Volkshochschulen, Kindergärten oder Schwimmbäder bei weiterhin laufenden Kosten seien in dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt. Erste grobe Schätzungen im März hatten die Belastungen durch die Corona-Krise auf fünf bis sechs Milliarden Euro taxiert. Die geringeren Einnahmen treffen zusammen mit ebenfalls durch die Pandemie verursachten zusätzlichen Ausgaben, etwa für Personal in den Ordnungsämtern zur Überwachung der Hygieneauflagen, für Gesundheitsämter, für Material wie Masken, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel oder für Programme zur Linderung der finanziellen Auswirkungen der Krise auf die lokale Wirtschaft und Kultur.

„Zusätzliche Aufgaben sind mit immer weiter einbrechenden Einnahmen nicht ansatzweise zu leisten. Schon vor Corona waren die Kommunen strukturell unterfinanziert. Jetzt sind sie mehr denn je auf eine nachhaltige Entlastung ihrer Haushalte angewiesen“, erklärte Schneider. In einem ersten Schritt müsse das Land jetzt endlich seine Zusagen aus der Vergangenheit erfüllen und den Städten und Gemeinden in vollem Umfang die Kosten der Versorgung von Asylbewerbern und geduldeten Personen ohne Bleiberecht erstatten. „Diese Anpassung ist längst überfällig. Allein in den vergangenen zwei Jahren haben Städte und Gemeinden rund eine Milliarde Euro vorgestreckt, weil das Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die wahren Kosten zu tragen“, so Schneider.

„Wir erkennen an, dass das Land erste Soforthilfen in Aussicht gestellt hat, um die Liquidität der Kommunen zu gewährleisten. Aber um die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden dauerhaft sicherzustellen, müssen Hilfen in einer ganz anderen Größenordnung erfolgen. Kreditzusagen lösen das Problem nicht. Wir sprechen hier über einen Rettungsschirm für die NRW-Kommunen mit echten Zuschüssen von mindestens fünf Milliarden Euro“, betonte Schneider. Hier seien sowohl der Bund als auch das Land zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung gefordert.

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Die Städte, Gemeinden und Kreise stünden an vorderster Front bei der Bewältigung der Krise. Sie kümmerten sich mit ihren Ordnungs- und Gesundheitsämtern um den Infektionsschutz und seien als Träger von Kitas, Schulen und Kultureinrichtungen gefordert. In den nächsten Jahren sollen sie zum Wohle der Wirtschaft die öffentlichen Investitionen zum Neustart nach Corona hoch halten. „Ob der Staat die Krise in den Griff bekommt, zeigt sich zuerst direkt vor Ort, in den Städten und Gemeinden. Jede Unterstützung für die Kommunen ist deshalb in Wirklichkeit ein Rettungsschirm für die Gesellschaft“, so Schneider.

Corona-Schutzschild gibt Kommunen Hoffnung
Städte- und Gemeindebund NRW begrüßt Initiative des Bundesfinanzministers als richtigen Ansatz – solidarisches Handeln in der Krise erforderlich

Der Plan, Städte und Gemeinden durch einen Schutzschild die finanziellen Verwerfungen der Coronakrise aufzufangen, weckt bei den NRW-Kommunen große Hoffnung. „Wenn Bund und Land sich entschlossen vor die Kommunen stellen, dann eröffnet das den Städten und Gemeinden einen Ausweg aus einer desaströsen Lage“, sagte StGB NRW-Präsident Roland Schäfer, Bürgermeister der Stadt Bergkamen, am Montag. „Wir sind froh, dass unser Hilferuf nach einem kommunalen Schutzschirm erhört wurde“, so Schäfer. Nun komme es darauf an, schnell zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Zuvor hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz ein Konzept für einen kommunalen Schutzschild von 57 Milliarden Euro öffentlich gemacht. Bund und Länder sollen sich demnach die Lasten teilen. „Wir sind jetzt auf entschlossene Unterstützung angewiesen, denn die Coronakrise hat die kommunalen Haushalte schwer erschüttert“, erläuterte Schäfer. Nach den Zahlen der Steuerschätzung müssten allein die Kommunen in NRW Einbußen von mehr als sieben Milliarden Euro verkraften.

In diesen Wochen stellen viele Städte und Gemeinden ihre Haushalte auf. Ohne Hilfen müssten sie drastische Einsparungen vornehmen. „Es kann in dieser Situation niemand ein Interesse daran haben, dass wir nun Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden streichen. Im Gegenteil: Unsere Wirtschaft braucht Perspektiven, genauso wie die Bürgerinnen und Bürger“, betonte Schäfer. „Wenn wir jetzt sicherstellen, dass Geld da ist für die dringenden Zukunftsaufgaben, dann ist das eine Basis, um gut aus dieser historischen Krise herauszukommen“, erläuterte der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes. Schon vor Corona sei der Investitionsstau eine der drängendsten Aufgaben gewesen. Der Nachholbedarf sei unverändert gewaltig, etwa bei der Verkehrswende, der Digitalisierung, dem Ausbau von Infrastruktur, Schulen und Kindergärten und nicht zuletzt dem Klimaschutz. „Wir dürfen nie vergessen: Jeder Schutzschild für Kommunen ist auch ein Schutzschild für Wirtschaft und Gesellschaft““, betonte Schäfer.

„Wenn Bund und Land über einen Corona-Solidarpakt die kommunalen Mindereinnahmen in 2020 auffangen, bekommen wir wieder Boden unter die Füße. Was es nun schnell braucht, ist ein klares Bekenntnis der Landesregierung, dass sie an der Seite der Kommunen steht und sich am Schutzschild beteiligt“, sagte Schäfer. Bisher habe sich das Land im Hinblick auf finanzielle Corona-Hilfen leider mit vagen Versprechungen begnügt. „Kompliziert wird es bei der Frage der Altschulden“, so Schäfer. „Nach dem Scholz-Konzept übernehmen Bund und Länder je zur Hälfte die Kassenkredite der Kommunen. Auch das würde den Kommunen nachhaltig helfen“, sagte Schäfer. In NRW gebe es zahlreiche Städte, die schon sämtliche Sparpotenziale ausgereizt hätten. Diese Kommunen seien ohne Chance, sich aus eigener Kraft aus der Schuldenspirale zu befreien. „Wir sehen mit Sorge, dass andere Länder die Altschuldenhilfen im Rahmen eines kommunalen Schutzschirms ablehnen, weil sie befürchten, die Schulden Dritter bezahlen zu müssen“, sagte Schäfer. „Ich kann nur hoffen, dass sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung für das ganze Land bewusst sind. Wenn am Ende Streit unter den Ländern dazu führt, dass das ganze Konzept scheitert, wäre das eine Katastrophe.“
Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen
Foto: Petra Grünendahl

 

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