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Roman zur Loveparade 2010 in Duisburg: Jessika Westen erzählt aus Sicht von Betroffenen

„Ich wollte verstehen, was passiert ist!“:
Die Katastrophe aus drei Perspektiven

Von Petra Grünendahl

Buchvorstellung im Steinhof (v. l.): Britta Schmitz (Emons Verlag), Vasco Engelhardt, Jessika Westen, Gabi Müller und Jessica Ploenes. Foto: Petra Grünendahl.
Mit Vorfreude machen sich Katty und ihre Freunde auf den Weg nach Duisburg zur großen Techno-Party am alten Güterbahnhof. Sie wollen feiern, tanzen, Spaß haben. Noch ahnen sie nicht, was ihnen bevor steht: Die Party endet für die Clique an der Rampe, im dichten Gedränge, in dem erste Menschen ihr Leben verlieren. Katty ist als Ich-Erzählerin Protagonistin, aber nicht die einzige Erzählerin des dokumentarischen Roman. Zwei weitere Perspektiven, der Sanitäter René und die Journalistin Emma, geben Einblicke in andere Aspekte des Geschehens. Mit diesen Handlungssträngen ermöglicht die Autorin dem Leser eine vielschichtige Rekonstruktion der Tragödie abseits der rechtlichen Aufarbeitung. Das Strafverfahren hatte im Mai dieses Jahres mit der Einstellung des Verfahrens ein Ende gefunden, was viele – vor allem Opfer und Betroffene – unbefriedigt gelassen hatte.

 

Jessika Westen mit ihrem Roman-Debüt „Dance or Die“. Foto: Petra Grünendahl.
Die Reporterin, Moderatorin und Autorin Jessika Westen stellte ihr Roman-Debüt „DANCE OR DIE: Die Loveparade-Katastrophe“ einen guten Monat vor dem zehnten Jahrestag des Ereignisses vor. Bei der Buchvorstellung mit dabei waren Gabi Müller, Mutter des damals 25-jährig verstorbenen Christian, Jessica Ploenes, die als Besucherin vor Ort war, Sanitäter Vasco Engelhardt sowie Vertreter der Betroffenen Initiative LoPa 2010 e. V., die das Buchprojekt unterstützt haben. Der Titel „Dance or Die“ stammt von den Flyern und Stickern, die an Rampe und Tunnel auf dem Boden pappten – und verhängnisvoll zu dem passten, was dort geschah. „Ich wollte verstehen, was da passiert ist“, schilderte die Autorin Jessika Westen ihre Intention zur Aufarbeitung. Entstanden ist eine Art dokumentarischer Roman, der Einzelschicksale im Ablauf der tatsächlichen Ereignisse schildert. Eine Kartendarstellung im Vorspann hilft Ortsunkundigen bei der geographischen Einordnung des Geschehens.

 

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Mitten im Geschehen

Gabi Müller verlor bei der Loveparade 2010 ihren damals 25-jährigen Sohn Christian. Foto: Petra Grünendahl.
„Gut, dass du arbeiten musstest, sonst wärest du vielleicht selber dort dabei gewesen“, hatte die Mutter von Jessika Westen gesagt nach der Loveparade 2010. Zuvor war die WDR-Reporterin schließlich mehrfach in Berlin zur großen Techno-Party gewesen. Bei der Loveparade 2010 war Westen als Reporterin für die WDR Lokalzeit im Einsatz: Am Hauptbahnhof berichtete sie über das Geschehen, bis sie gegen Abend dann von dort aus ihrem Publikum eine erste Katastrophen-Berichterstattung liefern musste. Nach der Loveparade führte sie viele Gespräche mit Angehörigen und Betroffenen, mit Augenzeugen und Ersthelfern, die schließlich auch mit in dieses Buch einflossen. Lange schon hatte Westen mit dem Gedanken gespielt, ein solches Buch zu schreiben. Ab 2014 wurde es ihr ernst. Ihr Mann Thomas bestärkte und unterstützte sie darin.
Vasco Engelhardt war bei der Loveparade 2010 als Sanitäter im Einsatz. Foto: Petra Grünendahl.
„Es ist kein Buch, was man so einfach runter schreibt“, erklärte die Autorin die lange Zeit, die sie für das Buch brauchte. „Ich dachte manchmal, ich schaffe das nicht. Es belastet.“ Auch Recherchen über die Gespräche mit Betroffenen hinaus nahmen viel Zeit in Anspruch: So konnte Westen ausgiebige Einblicke in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten nehmen. Das Buch führt aus drei Perspektiven mitten hinein in das Geschehen an der Rampe, in die Katastrophe, die für 21 Menschen tödlich endete. Funksprüche der Polizei stellen Bezüge zu den Abläufen der Ereignisse dar. Westens Darstellung ist präzise, mitunter recht graphisch, auch da wo es weh tut: Das ist nicht unbedingt was für schwache Nerven!

 

Jessica Ploenes wurde bei der Loveparade 2010 in Duisburg verletzt. Foto: Petra Grünendahl.
Insbesondere der Charakter der Katty und ihre Erlebnisse vereint in sich eine Vielzahl von Berichten und Schicksalen, die Westen nach der Loveparade von Betroffenen aller Art gehört hatte. Hier finden sich Eltern von Verstorbenen ebenso wieder wie Menschen, die bei der Katastrophe verletzt und traumatisiert wurden. Dies bestätigte auch Jessica Ploenes, selber ein Opfer, die das Buch schon gelesen hatte. „Das Buch ist wichtig: Ein Buch für die Ewigkeit und für die Würde unserer Kinder“, so Gabi Müller, die ihrem Sohn Christian verlor. Die Darstellung der Loveparade-Besucher war Jessika Westen wichtig, da hier viele Vorurteile kursierten: „Das waren junge Menschen, die das Leben liebten, mit einem tollen Gefühl zur Loveparade kamen und feiern wollten“, so die Autorin, die hier eigene Erfahrungen von früheren Loveparades in Berlin einfließen ließ. Auch Vasco Engelhardt, als Sanitäter vor Ort im Einsatz, findet sich in dem Buch wieder: Eine Whatsapp an Jessika hatte er mit „René“, dem Buch-Charakter, unterschrieben.

 

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Das Buch und die Autorin

Titelbild: Emons Verlag.
Der Roman „DANCE OR DIE: Die Loveparade-Katastrophe“ ist im Emons Verlag, Köln, erschienen. Das 320-seitige Buch mit Broschur-Umschlag ist für 16,00 Euro im lokalen Buchhandel zu bekommen (ISBN 978-3-740-80887-7). Zehn Prozent ihrer Einnahmen aus dem Buch werde sie dem Bündnis Katastrophenhilfe spenden, so die Autorin.

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Der Trailer zum Buch
 

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Jessika Westen stellte ihren Roman-Debüt „Dance or Die“ vor. Foto: Petra Grünendahl.
Jessika Westen ist Nachrichtenmoderatorin bei ntv und Reporterin für den WDR. Die Diplom-Journalistin wurde für ihre „herausragende Leistung“ als Live-Reporterin von der Loveparade-Katastrophe in Duisburg mit dem Axel-Springer-Preis für junge Journalisten geehrt. Im Nachgang zum Unglück berichtete Jessika Westen regelmäßig für den WDR über die Zusammenhänge und Ursachen, die zu dem tödlichen Gedränge geführt haben. Zwischen 1998 und 2007 war Jessika Westen selbst insgesamt acht Mal auf der Loveparade, sowohl privat als auch beruflich.
https://jessika-westen.de/
https://www.emons-verlag.com/programm/dance-or-die

 

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Emons Verlag

Überreichten Jessika Westen (l.) Blumen für ein gelungenes Buch: Nicole Ballhausen (m., Betroffenen Initiative LoPa 2010 e. V.) und Gabi Müller (r.). Foto: Petra Grünendahl.
Der Emons Verlag wurde 1984 von Hermann-Josef Emons in Köln gegründet. Mit dem Start der „Köln Krimis“ wurde der Emons Verlag zum Wegbereiter des „Regionalkrimis“. Mittlerweile gibt es im Emons Verlag über 80 regionale Krimireihen, von Nord nach Süd, von Ost nach West sowie im Ausland. Bestsellerautoren wie Frank Schätzing, Friedrich Ani, Nicola Förg und Volker Kutscher haben im Kölner Verlag veröffentlicht. 2008 kreierte der Verlag mit „111 Orte, die man gesehen haben muss“ – eine neue Art von Reiseführer. Bildbände, Kultur & Geschichte, Atlanten und Freizeitführer verfolgständigen das Buchprogramm.

 
© 2020 Petra Grünendahl (Text und Fotos)

 

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