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Der Waldfriedhof in Wanheimerort – Teil 3: Im Fokus der Stadtteil-Historiker

Zeichen für Integration in der Gesellschaft
Von Petra Grünendahl

Die Stadtteil-Historikerin Silke Mayer beschäftigt sich mit der Geschichte des Waldfriedhofs in Wanheimerort. Foto: Petra Grünendahl.
„Der Friedhof war von Anfang an auch als Erholungsfläche geplant”, erzählte Silke Mayer. Strecken des Waldfriedhofs in Wanheimerort sind parkähnlich angelegt. Die klassische Beerdigungsform im Reihengrab hat bei guter Pflege ohnehin einen gewissen Park-Charakter – und unter den Bäumen lässt es sich gut flanieren. „Er ist als Reformfriedhof angelegt: Klare Linien und Ästhetik ersetzten in den 1920ern die 1900 in Mode gekommene freie Gräbergestaltung, bei der jeder machte was er wollte“, so die Stadtteil-Historikerin. Sie fasziniere die Vielfalt dieses Friedhofs ebenso wie eine parkähnliche Gestaltung, erzählte sie.
Die Stadtteil-Historikerin Silke Mayer auf dem alten Jüdischen Friedhof. Foto: Petra Grünendahl.
Und der Friedhof sei auch ein Ort der Integration: „Neben allen möglichen Formen von Grabstätten gibt es hier schon seit den 1990er-Jahren muslimische Gräberfelder und Grabfelder für Roma. Jüdische Gräber waren von Anfang an mit eingeplant.“ Auch griechisch-orthodoxe Grabstätten seien hier angelegt. Und weiter: „1941 bestimmte die nationalsozialistische Regierung, dass Zwangsarbeiter auf dem jüdischen Friedhof beerdigt werden sollten.“ Letztere liegen (heute) aber vor allem in eigenen Grabfeldern begraben: „Ob sie dahin mal umgebettet wurde, kann man annehmen, aber sicher bin ich mir da noch nicht“, so Mayer. Ihre Recherchen sind schließlich noch längst nicht abgeschlossen.

 

Das Mahnmal der zwei trauernden Frauen (1961) von Dorothee Ludwig-Mindt am Ehrenfeld des Waldfriedhofs. Foto: Petra Grünendahl.
Der Waldfriedhof an der Düsseldorfer Straße in Wanheimerort, mit dem sich die Stadtteil-Historikerin Silke Mayer seit Jahresanfang beschäftigt, birgt viele alte, aber auch neuere Grabstätten mit Geschichte oder außergewöhnlichem Hintergrund. Er wurde Anfang der 1920-er Jahre angelegt und im Jahr 1923 als Neuer Friedhof seiner Bestimmung übergeben. Zusammen mit Silke Mayer gaben Vorstandsmitglied Klaus Becker und Ariela Cataloluk von der Geschäftsstelle der Bürgerstiftung Auskunft über das Projekt „Stadtteil-Historiker“ und das Thema Waldfriedhof. „Der hier angelegte Ehrenfriedhof sollte eine Fortsetzung des Ehrenfriedhofs am Kaiserberg sein, der zu klein wurde, um Soldaten aufzunehmen, die Jahre nach Ende des 1. Weltkrieges verstarben“, wusste Mayer zu berichten. Die meisten Gräber hier stammen aber aus dem 2. Weltkrieg, in dem die Stadt die Opfer der Bombenangriffe hier beerdigte: „Sie kriegten Grabkreuze wie gefallene Soldaten: sie galten als Gefallene an der Heimatfront“, erklärte sie den Nazi-Jargon.

 

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Stadtteil-Historikerin Silke Mayer

Stadtteil-Historikerin Silke Mayer auf dem Gräberfeld des Ehrenfriedhofs: Hier liegen die zivilen Opfer des Bombenkriegs. Foto: Petra Grünendahl.
„Gut eine Woche, bevor die Ausschreibung für die Stadtteilhistoriker kam, war ich hier mit einer Freundin spazieren“, erzählte Silke Mayer. Der Ort habe sie fasziniert. Sie habe einen Faible für Lost Places: „Und da gehören auch alte Friedhöfe dazu.“ Mit dem Waldfriedhof Wanheimerort hatte sie eine Themenskizze, welche sie Bürgerstiftung Duisburg und der GLS Treuhand für das Stipendien-Programm Stadtteil-Historiker vorstellte. „Ihre Vorstellung war eine der überzeugendsten“, erzählte Klaus Becker, Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung Duisburg. Ohnehin ist Duisburg bei dem Stipendien-Programm gut vertreten: Von den 18 Stipendiaten stammen sechs aus Duisburg. Die Qualifizierten aus dem Ruhrgebiet erhalten eine fachliche Begleitung und jeweils 1.500 Euro Recherchebudget. „Das Recherchebudget ist als Auslagen-Ersatz gedacht“, erklärte Klaus Becker die Intention des Stipendiums, welches von der GLS Treuhand finanziert wird. „Wir haben die Duisburger Projekte nach interessanten Schwerpunkten ausgesucht“, so Becker zum Findungsprozess, der hier über die Bürgerstiftung Duisburg lief. Im Sommer 2021 werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt.

 
Sie baue ihr Thema „Waldfriedhof“ epochal auf: In fast 100 Jahren kommt da einiges zusammen. „Ich suche aber auch noch Zeitzeugen, dir mir etwas zur Geschichte und Entwicklung des Waldfriedhofs erzählen können“, erklärte die Stadtteil-Historikerin, die hauptberuflich in der Erwachsenenbildung arbeitet. „Das sind die spannenden Geschichten, die man in die Recherche-Ergebnisse einarbeiten kann.“

 

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Der Waldfriedhof

Sehr aufwändig und pompös wirken die Roma-Gräber. Foto: Petra Grünendahl.
Der Waldfriedhof in Wanheimerort trägt auch den Beinamen „Neuer Friedhof“. Er wurde Anfang der 1920-er Jahre angelegt, als sich eine völlige Belegung des damaligen Hauptfriedhofs Sternbuschweg in Neudorf (auch „Alter Friedhof“) abzeichnete. Im Jahr 1923 begann man mit ersten Reihengrabbeerdigungen. Ab 1925 stand auch eine Einsegnungs- und Leichenhalle zur Verfügung. Der älteste Grabstein, den man heute noch auf dem Waldfriedhof findet, ist ein Findling, bei dem statt einer Eingravierung eine aufgebrachte Plakette die Daten des 1924 Verstorbenen zeigt.

 
Der Waldfriedhof in Wanheimerort

Die Friedhofsverwaltung im alten Forsthaus Haniel. Foto: Petra Grünendahl.
Auf einer Fläche von rund 67 Hektar ist der Friedhof in einem Waldstück an der heutigen Düsseldorfer Straße angelegt worden. Seine rund 6.000 Bäume unterstreichen den waldähnlichen Charakter. Entlang eines Wegenetzes von etwa 50 Kilometern stehen inmitten der Grabanlagen auch Eichen und Buchen, die im vorletzten Jahrhundert gepflanzt wurden und mittlerweile ein Alter von über 170 Jahren erreicht haben. Das Areal gehörte früher der Familie Haniel. Im alten Forsthaus Haniel ist heute die Friedhofsverwaltung untergebracht. Gegenüber ist der Betriebshof, von dem aus die Wirtschaftsbetriebe die allgemeinen Bereiche des Areals pflegen.

 

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Neben klassischen Grabarten gibt es mittlerweile auch Wahlgräber für Särge und Urnen, was den Wandel der Bestattungskultur dokumentiert. Pflegefreie Gräber oder Rasengräber tragen gesellschaftlichen Änderungen Rechnung, weil Pflege von Angehörigen – soweit überhaupt vorhanden – aus verschiedensten Gründen nicht geleistet werden kann. Die Gestaltung reicht von einfachen Grabsteinen auf der Wiese mit mehr oder weniger üppigem Blumenschmuck bis hin zum anonymen Grab, das nur deswegen erahnt werden kann, weil das Gräberfeld voll belegt ist.

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Der Zugang zum neuen Jüdischen Friedhof. Foto: Petra Grünendahl.
Schon 1927 wurde ein Begräbnisfeld für die Jüdische Gemeinde der Stadt angelegt, das zwischen primär 1930 und 1942 genutzt wurde. Erst 1981 fand hier wieder eine Bestattung statt. Vor gut zwei Jahren legte die Jüdische Gemeinde Duisburg Mülheim Oberhausen ein neues Gräberfeld an, das seitdem als letzte Ruhestätte für jüdische Mitbürger genutzt wird. In den 1990er-Jahren schuf man auch ein islamisches Gräberfeld für den südlichen Bestattungsbezirk. Beide Religionen glauben an die Unverletzlichkeit des Körpers: Damit sind nur Reihenbestattungen möglich, keine Feuerbestattung (Urnengräber). Es gibt Reihen von Sinti-Gräbern ebenso wie griechisch-orthodoxe Gräberfelder. Seit den 1990er-Jahren gibt es auch einen Bereich mit Roma-Gräbern. 2011 eröffnete der Memoriam Garden in Zusammenarbeit mit Friedhofsgärtnern: Hier befinden sich hochwertige Grabstätten mit besonderem gestalterischen Anspruch.

 

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Feuerbestattung seit 1932: das Krematorium

Das muslimische Gräberfeld. Foto: Petra Grünendahl.
Ab 1912 gab es erste Bestrebungen, eine Feuerbestattungsanlage in Duisburg zu bauen. Erst mit der Einrichtung des neuen Hauptfriedhofs wurde das Projekt wieder aufgegriffen. Vom Rohbau 1929 dauerte es wegen Finanzierungsschwierigkeiten in der Weltwirtschaftskrise bis 1932 mit der Fertigstellung. Ein Luftangriff 1944 beschädigte das Krematorium so stark, dass Einäscherungen in der Folgezeit nicht mehr möglich waren. Dem Wiederaufbau der Verbrennungsanlage bis 1950 folgte die Inbetriebnahme der Krematoriumskapelle 1952/53. Neben Ausbesserungs-, Erweiterungs- und Modernisierungsarbeiten investierte die Stadt auch in Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung.

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Aufgrund steigender Einäscherungszahlen und wegen der veralteten Krematoriumstechnik begann man 2001 mit dem Bau eines neuen Krematoriums. Der bestehende Zellentrakt wurde bis auf die alte Trauerhalle abgerissen und ein modernes Krematorium im Frühjahr 2002 seiner Bestimmung übergeben. Äußerlich der alten Bausubstanz angepasst enthält er modernste Technik und zeitgemäße Abschieds- und Aufbahrungsräume.

 
Unsere früheren Spaziergänge über den Waldfriedhof:

 
© 2020 Petra Grünendahl (Text und Fotos)

 

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