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Dortmund: Stahlhaus-Bungalow L141 für das Hoesch-Museum

Prototyp des stählernen Familienheims wird Museumsstück
Von Petra Grünendahl

Das Stahlhaus L141 soll zum Hoesch-Museum überführt werden. Foto: Petra Grünendahl.
Die Stahlhäuser fallen in dieser Siedlung nicht besonders auf. Was man zunächst für eine Fassadenverkleidung halten könnte, sind aber de facto Häuserwände: Mit PVC beschichtete Stahlbleche, die Hoesch damals unter dem Namen „Platal“ vermarktete. Der Bau eigener Fertighäuser sollte den Absatz des damals gerade entwickelten Leichtprofils sichern. In den späten 1950er-Jahren wurde der Stahl-Bungalow geplant, als der Fertighaus-Bau in Mode kam. So entstanden in der 260 Häuser umfassenden Hoesch-Siedlung in Dortmund-Hombruch 1962/63 sechs Stahlhäuser des Typs K109 (mit 109 Quadratmetern Wohnfläche), bevor die Stadt Dortmund 1965 die Baugenehmigung für den Typ L141, einen L-förmigen Bungalow mit 141 Quadratmetern, erteilte.

In zeitgeössichem Ambiente (v. l.): Dr. Karl Lauschke, Isolde Parussel und Wolfgang Weick. Foto: Petra Grünendahl.
„Es ist der einzige Bungalow der dritten Generation“, verriet Dr. Karl Lauschke, Vorsitzender der Freunde des Hoesch-Museums e. V., der zusammen mit seinem Stellvertreter Wolfgang Weick und Museumsdirektorin Isolde Parussel Pläne des Museums zur Übernahme des Gebäudes vorstellte. Das Stahlhaus, ein Hoesch-Bungalow vom Typ „L141“, soll an seinem bisherigen Standort in Dortmund-Hombruch abgebaut und zum Hoesch-Museum überführt werden. Die Idee gibt es schon länger: Jetzt soll sie zum Jubiläum realisiert werden, kann doch das Museum 15 Jahre Bestehen feiern – und das Stahlhaus sein 55-Jähriges. Bevor die Freunde des Hoesch-Museums in die Sponsoren-Suche einstiegen, hatten sie durch ein Gutachten attestieren lassen, dass das Gebäude frei von Schadstoffen ist. Auch die Styropor-Dämmung zwischen den Stahlblechen sei unbedenklich, erklärte Karl Lauschke. Das L-förmige Gebäude soll in zwei Teile geteilt jeweils auf einem Tieflader durch die Stadt transportiert werden sollen, so die Idee. Um dann am Zielort wieder miteinander verbunden zu werden. Die Grundsteinlegung ist für Oktober nächsten Jahres avisiert. Im Anschluss an die ca. sechsmonatigen Arbeiten vom Abbau bis zur Restaurierung hofft der Verein, das neue Museumsstück im Frühjahr 2022 eröffnen zu können.

 

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Das Stahlhaus L141 ist zum Pressetermin zeitgenössisch aufgepeppt. Foto: Petra Grünendahl.
Das damals hochinnovative Eigenheim gilt heute als historisch bedeutsames Exponat, das einen Platz am Hoesch-Museum finden soll. Im Moment arbeitet der Vorstand der Freunde des Hoesch-Museums e. V. als Trägerverein des Museums daran, die Finanzierung über Sponsoren und Fördergelder zusammen zu bekommen. „Wir sind bislang auf großes Wohlwollen gestoßen, können aber erst anfangen, wenn die Finanzierung gesichert ist“, so Wolfgang Weick. Einen höheren sechsstelligen Betrag hat eine schwäbische Fachfirma veranschlagt: Dafür zieht der Bungalow um und wird dann fachgerecht restauriert. Er soll nicht nur selber als Schauobjekt dienen, sondern auch für Ausstellungen und Events im Hoesch-Museum zur Verfügung stehen.

 
Das Stahlhaus L141: der Hoesch-Bungalow

Museumsdirektorin Isolde Parussel zeigt das Hoesch-Haus auf Mallorca. Foto: Petra Grünendahl.
Rund 200 Stahlfertighäuser hatte die Hoesch AG in den 1960er-Jahren hergestellt. Kapazitäten hatte Hoesch für ca. 5.000 Stück im Jahr, allerdings war das Stahlhaus vergleichsweise teuer und konnte sich am Markt nicht durchsetzen: Die dritte Generation hätte etwa 125.000 DM gekostet – ohne Grundstück. Der Prototyp ist fast im Originalzustand erhalten: ein Museumsstück eben! „Bislang haben wir 30 von diesen Hoesch-Stahlhäusern identifizieren können“, erzählte Isolde Parussel. Am weitesten entfernt steht ein Musterhaus auf Mallorca, der letzte gefertigte Hoesch-Bungalow steht heute im Kanton Turgau in der Schweiz.

Ein überbautes Stahlhaus: Der Bungalow mit neuem Dach. Foto: Petra Grünendahl.
Die Häuser sind teilunterkellert, stehen als Fertighaus auf einem Betonfundament und sind umgeben von – nach heutigen Maßstäben – vergleichsweise großen Grundstücken. Die dritte Generation erhielt eine bessere Wärmedämmung und Fugenausbildung. Fast 50 Jahre hatte ein Hoesch-Ingenieur mit seiner Familie hier gelebt: „Wer in diesen Stahlhäusern gewohnt hat, hat gute Erinnerungen daran“, erzählte Isolde Parussel. „Die Menschen haben gerne hier gewohnt: Das gilt für die Erstbewohner ebenso wie für spätere Nachnutzer.“ Manche Häuser in der Nachbarschaft sind allerdings im Laufe der Jahre auch von außen verändert und überformt worden.

Die Außenwände bestehen aus zwei Platal-Stahlblechen mit Styropor zur Dämmung dazwischen. Foto: Petra Grünendahl.
Die Bungalows gab es in verschiedenen Typen entsprechend der Wohnfläche, wahlweise mit zweiter Terrasse oder kompletter Küche. Die Wände konnten über die Kunststoffbeschichtung farbig ausfallen und waren abwaschbar. Zum Aufhängen eines Bildes reichten Magnete aus. Trotz dieser modernen Versprechungen konnte sich das recht teure Wohnen in Stahl jedoch nicht durchsetzen. Das Haus „L141“ war fast 50 Jahre lang Heimat der siebenköpfigen Familie des Hoesch-Ingenieurs Hoff. Sowohl Haus- wie Familiengeschichte wird das Hoesch-Museum in den kommenden Jahren präsentieren: im besten Falle im Stahlhaus am neuen Standort an der Westfalenhütte.

 

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Das Hoesch-Museum

Das Hoesch-Museum bei Nacht. Foto: Stadt Dortmund.
Die Idee zu einem Hoesch-Museum entstand kurz nach der Jahrtausendwende mit der Stilllegung von Westfalenhütte und Hermannshütte (heute Phoenixsee). Es sollte nicht nur den Namen des ehemals größten Dortmunder Unternehmens lebendig zu halten, sondern die Geschichte von Eisen und Stahl im Stadtgebiet anschaulich vermitteln. So gründeten engagierte ehemalige Hoeschianer 2004 den Verein „Freunde des Hoesch-Museums“, der ein gutes Jahr später das Haus eröffnen konnte. Dies gelang jedoch nur mit Hilfe vieler Ehrenamtlicher und dank großzügiger Unterstützung des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund (MKK), des Westfälischen Wirtschaftsarchivs und des Unternehmens thyssenkrupp Steel. Das Duisburger Unternehmen ist Rechtsnachfolger der Hoesch AG, die 1992 von der Krupp AG übernommen und damit 1999 in die Fusion mit Thyssen eingebracht wurde.

Diese (auch finanzielle) Unterstützung ermöglichte nicht nur die konservatorische Aufbereitung von Ausstellungsobjekten und den Umbau das denkmalgeschützte Portierhaus von 1914, sondern auch die wissenschaftliche Aufarbeitung von Stahlindustrie und Strukturwandeln in Dortmund. Mit Hilfe zahlreicher Sponsoren wurde dann am 23. Oktober 2005 ein industrie- und sozialgeschichtliches Museum eröffnet, das bis heute Besucher aus Nah und Fern anzieht.

Seine besondere Rechts- und Trägerform hat das Museum beibehalten: Träger ist der gemeinnützige Verein „Freunde des Hoesch-Museums“, Kooperationspartner sind weiterhin die Stadt Dortmund und thyssenkrupp Steel. Das MKK unterstützt das Museum zudem mit einer hauptamtlichen wissenschaftlichen Leitungsstelle. Das Herz des Hoesch-Museums sind jedoch rund 80 ehrenamtlich tätige Menschen, die den Betrieb in allen Facetten sicherstellen. Sie kommen mittlerweile auch aus Berufsgruppen jenseits der Montanindustrie und investieren im Jahr rund 11.000 Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit. Das entspricht etwa sieben Vollzeitstellen. Diese Tätigkeiten wurden 2016 mit dem WegWeiser-Preis der NRW-Stiftung Natur, Heimat, Kultur ausgezeichnet.

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Bisher haben drei Vereinsvorsitzende das Haus geprägt: Dr. Alfred Heese von 2005 bis 2007, Dr. Karl-Peter Ellerbrock von 2007 bis 2015 und Dr. Karl Lauschke seit 2015. Die wissenschaftliche Leitung lag bis 2018 bei Michael Dückershoff, ihm folgte Isolde Parussel im Sommer 2018.
https://www.dortmund.de/de/freizeit_und_kultur/museen/hoesch_museum/start_hoesch/index.html

 

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15 Jahre Hoesch-Museum

Hoesch-Museum (2006), Eberhardtstr.13 in Dortmund. Foto: Kassander der Minoer (Wikipedia, CC BY-SA 3.0)
Wenn die Corona-Beschränkungen wieder gelockert werden, lohnt sich ein Besuch: Das Hoesch-Museum präsentiert am historischen Ort 160 Jahre Unternehmens- und Sozialgeschichte. Die Geschichte der Firma Hoesch und seiner „Hoeschianer“ als Teil der Dortmunder Stadtgeschichte steht dabei im Mittelpunkt der Dauerausstellung. Im denkmalgeschützten Portierhaus der Westfalenhütte, der Keimzelle des Unternehmens Hoesch, veranschaulichen Werkzeuge und Produkte, Modelle und Fotografien den Herstellungsprozess von Stahl sowie die Arbeits- und Alltagswelt. Medieninstallationen wie „Phoenix aus der Asche“ und ein 3D-Stahlwerk ergänzen die Themen und zeigen auch die aktuelle High-Tech-Branche.

Rund 55 Sonderausstellungen haben seit der Eröffnung die Themen der Dauerausstellung ergänzt: Gezeigt wurden Kunst und Fotografie von und auf Stahl, historische Aspekte der Hoesch-Standorte Phoenix, Union und Westfalenhütte, Themen wie Sozialfürsorge, Migration oder Mitbestimmung in der Stahlindustrie und zeitgenössische Positionen aus Forschung und Bildung. Im kommenden Jahr sind u. a. eine Ausstellung mit der Künstlerin Martina Dickhut geplant und eine Schau zum 150-Jubiläum der Westfalenhütte, die 1871 in Dortmund gegründet wurde. Zur Eröffnung im Herbst 2021 soll dann auch der Geburtstag des Museums nachgefeiert werden.

Impressionen. Fotos: Petra Grünendahl

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© 2020 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (12), Stadt Dortmund (1), Kassander der Minoer (1, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

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