Unsere Beziehungen zu digitalen Geräten sind in der Zeit der Pandemie enger geworden, vielleicht sogar enger als wir es uns wünschen. Die digitale Technik hilft uns, Verbindungen zu schaffen, und sie kann wie eine Prothese an die Stelle unserer persönlichen Begegnungen treten. Sie erweitert unser Sensorium und bildet Projektionsflächen für unsere Wünsche. Die digitalen Helfer werden immer mehr auf unsere intimen menschlichen Bedürfnisse zugeschnitten. Aber lässt sich menschliche Nähe tatsächlich an eine Maschine delegieren?
Die Ausstellung „Me and My Machine“ im Lehmbruck Museum in Duisburg beleuchtet die Symbiose zwischen Mensch und digitaler Maschine. Sie fragt auf humorvolle und auf ernste Weise nach unserer aktuellen Beziehung zu digitalen Tools im Alltag: Wo liegen Möglichkeiten und Grenzen? Wie werden unsere Sehnsüchte befriedigt und wie zeigen sich Abhängigkeiten und Ohnmacht gegenüber Problemen unserer Gesellschaft? Die Ausstellung lädt dazu ein, gestalterische digitale Tools auszuprobieren, mit Gemälden und Installationen zu interagieren und den eigenen Körper zu befragen. Besucher*innen können sich in virtuelle Welten begeben, sie bekommen Anregungen, um sich über veränderte Gewohnheiten und über ihre Erfahrungen mit Entgrenzung und Rückkehr auszutauschen.
Die Gruppenausstellung „Me and My Machine” präsentiert (Video-)Installationen, skulpturale und reaktive Arbeiten sowie Wandarbeiten von Johanna Reich, Becker Schmitz, Tomasz Kwapien, Beate Gärtner, Susanna Hertrich, Aram Bartholl, dem niederländischen Künstlerinnen-Duo Ant Eye (Hanneke Klaver und Tosca Schift), Till Nachtmann und Stefan Silies, Sophie de Oliveira Barata (The Alternative Limb Project) und der Candoco Dance Company.
Die Künstler
Hanneke Klaver und Tosca Schift bilden zusammen das Künstlerinnen-Duo Ant Eye. Für ihre Serie „Free the Expression” (2018) haben sie digitale Facefilter in materielle Erweiterungen der menschlichen Mimik umgewandelt.
Aram Bartholl ist ein deutscher Medien- und Konzeptkünstler. Seine Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle von digitalen Netzwerken und Alltagswirklichkeit. In seinen Installationen, die der Künstler unter anderem im Museum of Modern Art in New York und in Münster im Rahmen der Skulptur Projekte ausgestellt hat, thematisiert er die Technologieverliebtheit des Menschen sowie das Spannungsverhältnis von digitaler Welt und realem Raum.
Die Essener Künstlerin Beate Gärtner versucht, die digitale Welt durch künstlerische Prozesse greifbar zu machen, indem sie digitale Daten, Codes und Karten in reale, analoge Kunstwerke verwandelt. Die Stofflichkeit der verwendeten Materialien lässt Abstraktes Form annehmen. Selbstgeschriebene Haikus (japanische Kurzgedichte) werden von der Künstlerin in QR-Codes kodiert und anschließend mit Papierstreifen nachgebaut. Alle Codes lassen sich mit dem Smartphone auslesen.
Der in Moers geborene Maler Becker Schmitz untersucht digitale Technologien in Kombination mit analogen und klassischen Darstellungsformen der Gegenwartskunst, wie Installation und Malerei. Er integriert in seine Arbeiten modernste Technik und ermöglicht den Betrachter*innen, Einfluss auf die Gestaltung seiner Werke zu nehmen. Für seine audioreaktiven Gemälde und Installationen werden akustische Signale in Farben übersetzt, wobei jedes Geräusch ein anderes Farberlebnis hervorrufen kann.
Johanna Reich verbindet in ihren Arbeiten zeitgenössische Techniken wie Fotografie, Video und Performance mit tradierten Medien wie Malerei und Skulptur. Ein zentrales Element ihrer Arbeiten ist ihr performatives Agieren vor der Kamera. In der Videoperformance „Face Detection” (2018) bearbeitet die Künstlerin Blöcke aus Ton so lange, bis sie von einer Gesichtserkennungssoftware als menschliches Abbild erkannt werden – an dieser Stelle beendet sie den Gestaltungsprozess.
Sophie de Oliveira Barata ist Künstlerin und Orthopädietechnikerin. Für die Tänzerin Welly O’Brien hat sie die kunstvolle Beinprothese „Cuckoo” entworfen. Die von ihr kreierten Prothesen sollen der Persönlichkeit des Menschen entsprechen, für den sie gemacht sind. Eine Videoarbeit, die in Zusammenarbeit mit der Candoco Dance Company entstanden ist, erweitert unsere Sicht auf das, was mit einer starken körperlichen Einschränkung möglich ist.
An der Schnittstelle von Designforschung, Medienkunst und Wissenschaft thematisiert Susanna Hertrich unser Verhältnis zu den Technologien in einer zunehmend technologisch-durchdrungenen Welt. Ihre Objekte zeichnen sich durch einen narrativen Charakter aus und dienen als Bindeglied zwischen Realität und Fiktion. Seit 2020 ist die Künstlerin als Dozentin am Institut für Integrative Gestaltung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel tätig.
Seit 2013 realisiert der Musiker und Digitalkünstler Tomasz Kwapien unterschiedlichste Musikprojekte für Kinder und Jugendliche. Auch im Lehmbruck Museum hat er bereits Hiphop-Ferienworkshops durchgeführt. Die interaktive Hiphop-Matte „Jump and Drum” (2018) lädt die Besucher*innen zur spielerischen Interaktion ein.
Stefan Silies und Till Nachtmann arbeiten seit 1999 zusammen mit Lasern, Raketen, LEDs, Mopeds, UV-Licht und Puppen in Köln, Berlin, Kassel, Leipzig, New York, Korea, im Ruhrgebiet und in Belgien. Sie sind Mitgründer von PuppetEmpire. Ihre Puppenfilme sind bei Filmfestivals und Ausstellungen und regelmäßig in der Sendung mit dem Elefanten (KiKa & WDR) und bei Planet Schule (SWR & WDR) zu sehen.
Das Lehmbruck Museum
Das mitten in Duisburg im Kantpark gelegene Lehmbruck Museum ist ein Museum für Skulptur. Seine Sammlung moderner Plastiken von Künstlern wie Alberto Giacometti, Pablo Picasso, Hans Arp und natürlich Wilhelm Lehmbruck ist europaweit einzigartig. Beheimatet ist das Museum in einem eindrucksvollen Museumsbau inmitten eines Skulpturenparks, der zum Schlendern und Entdecken einlädt.
Namensgeber des Hauses ist der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, der 1881 in Meiderich, heute ein Stadtteil von Duisburg, geboren wurde. Lehmbruck ist einer der bedeutendsten Bildhauer der Klassischen Moderne. Er hat mit seinem Werk maßgeblichen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen und ist auch nach seinem frühen Freitod im Jahr 1919 bis heute einflussreich geblieben.
Öffnungszeiten und Eintrittspreise
Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 6. Februar 2022. Geöffnet ist das Lehmbruck Museum üblicherweise dienstags bis freitags ab 12 Uhr, samstags und sonntags ab 11 Uhr. Die Öffnungszeiten gehen bis 17 Uhr, donnerstags an Terminen der plastikBAR (erster Donnerstag im Monat ab 17.30 Uhr) bis 20 Uhr. An Feiertagen gelten ggf. besondere Öffnungszeiten. Regulär kostet der Eintritt 9 Euro (ermäßigt* 5 Euro), eine Jahreskarte 35 Euro (ermäßigt* 20 Euro). Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre in Begleitung von Angehörigen sowie Blinden- und Demenzbegleitung haben kostenlos Eintritt. Schulklassen und Kindergärten zahlen pro Person 2 Euro (gilt nur für Selbstführergruppen), eine Familienkarte (2 Erwachsene plus Kinder bis 14 Jahre) gibt es für 15 Euro. Jeden ersten Freitag im Monat gilt: „Pay what you want“. Ausgenommen davon sind angemeldete Gruppen.
Zu seinen Sonderausstellungen bietet das Lehmbruck Museum verschiedene Veranstaltungen als Rahmenprogramm an. Öffentliche Führungen durch das Museum gibt es jeden Sonntag um 11.30 Uhr. Für Informationen steht die Kunstvermittlung des Lehmbruck Museums unter Telefon 0203 / 283-2195 oder eMail kunstvermittlung@lehmbruckmuseum.de zur Verfügung (Zu Preisen und Buchungen für Führungen geht es hier). Die aktuellen Corona-Regeln findet man hier: https://lehmbruckmuseum.de/update-coronavirus/.
(*) Ermäßigung erhalten gebuchte Gruppen, Selbstführer ab 20 Personen, Menschen mit Behinderung (ab 70%), Schüler & Studenten, Wehr- & Zivildienstleistende sowie Menschen mit Sozialhilfebezug.
Lehmbruck Museum
Fotos: Sadlers Wells, Aram Bartholl, Johanna Reich, Susanna Hertrich
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