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Umfrage: Konjunkturlagebericht der Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet

Energie- und Rohstoffpreise bremsen die Wirtschaft ebenso wie G2-Regeln in Einzelhandel und Gastronomie
Von Petra Grünendahl

Grafik aus dem des 108. Ruhrlagebericht. Quelle: Ruhr-IHKs.
Knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen im Ruhrgebiet nannten die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung (Herbst 2021: knapp 60 Prozent). Im Verkehrs- und Logistikbereich liegt dieser Anteil bei 72 Prozent und in der Industrie sogar bei 85 Prozent. Unterm Strich bilanzieren 58 Prozent der Unternehmen, dass sie in erheblichem Umfang von Preisanstiegen betroffen sind. „Diese starken Preisanstiege sind eine Folge des Mangels. Angebot und Nachfrage klaffen weit auseinander. Die Wirtschaft im Ruhrgebiet leidet unter anhaltenden Problemen bei der Beschaffung von Vorprodukten sowie Rohstoffen und steht vor enormen logistischen Herausforderungen“, machte Heinz-Herbert Dustmann, Präsident der für die Ruhr-IHKs aktuell federführenden IHK zu Dortmund, deutlich. Der Gesamtausblick der Ruhrwirtschaft fällt weniger pessimistisch aus: 16 Prozent der befragten Unternehmen bewerten die nahe Zukunft negativ, 22 Prozent erwarten bessere und das Gros von 62 Prozent gleich bleibende Geschäfte. Sorgen bereiten den Ruhr-IHKs jedoch verschiedene Unsicherheitsfaktoren, die eine weitere Erholung der Unternehmen gefährden können.

 

Pressekonferenz zur Vorlage des 108. Ruhrlageberichts (v. l.): Michael Bergmann (Hauptgeschäftsführer IHK Mittleres Ruhrgebiet in Bochum), Heinz-Herbert Dustmann (Präsident IHK zu Dortmund) und Stefan Schreiber (Hauptgeschäftsführer IHK zu Dortmund). Foto: Stephan Schütze / IHK zu Dortmund.
Zum Jahresbeginn hat die Ruhrwirtschaft insgesamt die schlimmsten Auswirkungen der Corona-Pandemie überwunden, wie die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHKs) im Ruhrgebiet zeigt. Im Pressegespräch stellten Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet (Bochum), sowie IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann und Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber (beide IHK zu Dortmund) die Ergebnisse der Umfrage im Detail vor. Im Vorjahresvergleich präsentieren sich viele Unternehmen gegenwärtig in einer robusteren Verfassung. Gegenüber der Herbstumfrage hat sich die Stimmung jedoch wieder leicht eingetrübt. Heinz-Herbert Dustmann betonte: „Die flächendeckenden 2G- oder 2G+-Regelungen haben seit dem Spätherbst vor allem im Handel- und Dienstleistungsbereich ihre Spuren hinterlassen. Die nachhaltige Erholung unserer Wirtschaft ist alles andere als ein Selbstläufer und die Liste der Konjunkturrisiken ist lang.“

 

 
Gastgewerbe und Einzelhandel beklagen Zugangsbarrieren

Symbolbild Tourismus / Gastronomie. Foto: Jacqueline Wardeski / Niederrheinische IHK.
Zu kämpfen haben mit den Corona-Auswirkungen nach wie vor der Einzelhandel und das Gastgewerbe, die beide eher nie Infektionstreiber waren. „Ich habe deshalb kein Verständnis dafür, dass die 2G-Zugangsbeschränkung für den Nicht-Lebensmitteleinzelhandel in Nordrhein-Westfalen aufrechterhalten wird. Der Einzelhandel war nie ein Infektionstreiber. Je länger diese Zugangsbarriere beibehalten wird, umso gravierender sind die negativen wirtschaftlichen Folgen für die Betriebe in den Innenstädten und Stadtteilzentren“, betonte Dustmann. Immerhin muss der Einzelhandel ab heute nur noch stichprobenweise überprüfen und nicht mehr direkt beim Zugang zum Geschäft. Denn die Kontrollen sind nicht nur zeitaufwändig, sondern schrecken auch Kunden ab. Deswegen fordern die IHKs, man solle die 2G-Regel im gesamten Einzelhandel aufheben.

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Dramatisch stellt sich die Situation gegenwärtig im Gastgewerbe dar: Sieben von zehn Unternehmen geht es eigenen Angaben zufolge schlecht, bei der Herbstumfrage 2021 war nur ein Drittel so pessimistisch. Fast zwei Drittel der Gastronomen melden verringerte Umsätze, was in erster Linie auf das stark eingeschränkte Weihnachts- und Silvestergeschäft zurückzuführen sein dürfte. Fast folgerichtig ist die aktuelle Finanzlage auch nur bei gut einem Fünftel der Betriebe im Gastgewerbe unproblematisch. Gut sechs von zehn Unternehmen melden hingegen einen Rückgang des Eigenkapitals und rund zwölf Prozent sind sogar von einer Insolvenz bedroht. Für die kommenden Monate geht fast jeder dritte Gastronomiebetrieb sogar von einer noch schlechteren Geschäftslage aus.

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Konjunktur-Risiken: Lieferengpässe, Fachkräftemangel und marode Verkehrsinfrastruktur

Grafik aus dem des 108. Ruhrlagebericht. Quelle: Ruhr-IHKs.
Insgesamt bewerten 84 Prozent aller befragten Unternehmen im Ruhrgebiet ihre Geschäftslage mit gut oder befriedigend. Im vergangenen Herbst waren es 87 Prozent und vor einem Jahr 74 Prozent. Von schlechten Geschäften berichten aktuell 16 Prozent. Der Konjunkturklimaindex liegt bei 115 Punkten (Herbst 2021: 122 Punkte, Jahresbeginn 2021: 100 Punkte). Als Stabilisator der wirtschaftlichen Situation erweist sich einmal mehr die Industrie: Neun von zehn Betrieben zeigen sich in einer guten Verfassung.

 

Grafik aus dem des 108. Ruhrlagebericht. Quelle: Ruhr-IHKs.
Der Mangel an Vorleistungen, insbesondere Halbleiter, elektronische Bauteile, Baumaterialien, Metalle, Chemikalien und Papier, hat sich jedoch in einigen Industriebereichen zu einer wesentlichen Bremse für den Aufschwung entwickelt. 83 Prozent der Unternehmen sind von Lieferengpässen betroffen, drei Viertel berichten über Ertragseinbußen, 53 Prozent von gestiegenem Planungsaufwand. Fast 30 Prozent dieser Unternehmen rechnen erst im zweiten Halbjahr 2022 mit einer besseren Versorgung bei relevanten Rohstoffen. 35 Prozent erwarten sogar keinerlei Verbesserung.

 
Ein fast schon chronisches Wachstumsrisiko stellt für sechs von zehn Unternehmen der Fachkräftemangel dar. Im Herbst sah es ähnlich aus. Erneut ist es das Gastgewerbe, das besonders zu leiden hat. Sieben von zehn Betrieben sind vom Fachkräftemangel besonders betroffen. Denn die Corona-Einschränkungen der vergangenen knapp zwei Jahre haben dazu geführt, dass sich viele Mitarbeiter umorientiert haben und nun dauerhaft fehlen.

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Die marode Verkehrsinfrastruktur im Ruhrgebiet ist ein altbekanntes Problem, das durch die Ereignisse der vergangenen Wochen aktueller denn je geworden ist. „Die Vollsperrung und der notwendige Abriss der A45-Talbrücke bei Rahmede sind eine Katastrophe für die Wirtschaft. Der starke Industrieraum Südwestfalen wird förmlich vom Ruhrgebiet abgeschnitten“, erklärte Dustmann. Ein moderner Wirtschaftsstandort wie das Ruhrgebiet könne ohne intakte Verkehrsinfrastruktur auf Dauer nicht funktionieren. „Bei der Instandsetzung und dem Neubau von Autobahnen, Schienenwegen und Wasserstraßen ist viel zu lange gespart worden. Und jetzt zahlen wir die Zeche“, so der IHK-Präsident, der ein deutlich schnelleres Planungs- und Genehmigungsverfahren für Neubauten und ein intelligentes Verkehrsmanagement forderte.

 

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Konjunkturumfrage der IHKs im Ruhrgebiet

Grafik aus dem des 108. Ruhrlagebericht. Quelle: Ruhr-IHKs.
Die IHKs im Ruhrgebiet fragen zwei Mal im Jahr (zum Jahresanfang und im Herbst) bei ihren Mitgliedsunternehmen unter anderem danach, wie sie ihre gegenwärtige wirtschaftliche Lage beurteilen, ob sie von Insolvenz bedroht sind und mit welcher Geschäftsentwicklung sie in den kommenden Monaten rechnen. Bei der Umfrage zum Jahresbeginn 2022 hatten sich fast 900 Unternehmen mit insgesamt 120.000 Beschäftigten beteiligt. Auch die Unternehmen im hiesigen IHK-Bezirk haben zum Ruhrlagebericht beigetragen. Zu den Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet zählen neben der Niederrheinischen IHK Duisburg, Wesel, Kleve zu Duisburg die IHK Mittleres Ruhrgebiet Bochum, die IHK zu Dortmund, die IHK für Essen, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen zu Essen, die Südwestfälische IHK zu Hagen und die IHK Nord Westfalen (mit dem Standort Gelsenkirchen für die Emscher-Lippe-Region).

Mehr zum 108. Konjunkturbericht der IHKs im Ruhrgebiet findet man hier: www.ihks-im-ruhrgebiet.de.

 
© 2022 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Stephan Schütze / IHK zu Dortmund (1), Jacqueline Wardeski / Niederrheinische IHK (1)

 
 

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