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MKM Museum Küppersmühle in Duisburg zeigt Raimund Girke

Variationen von Weiß als “Klang der Stille”
Von Petra Grünendahl

Raimund Girke Weiß dynamisch, 1994. 160 x 200 cm, Öl auf Leinwand. MKM Museum Küppermühle, Duisburg, Sammlung Ströher. Foto: Wolfgang Morell, Bonn.
„Weiß ist grenzenloser dimensionaler Raum, ist immateriell“, meinte Raimund Girke. Schon früh hatte er sich auf wenige Farben in abstrakter Malerei fokussiert, bevor er sein Schaffen mehr und mehr auf die Farbe Weiß reduzierte, deren Möglichkeiten er auch mit einer mitunter plastischen wirkenden Gestaltung seiner Bilder auslotete. „Ich will in meinen weißen Bildern den Bildraum nicht fixieren, sondern das Bild in ein Stadium führen, das über die Bewegung in der Fläche hinaus die unbegrenzte räumliche Bewegung ermöglicht. Diese beruht auf dem feinnuancierten, an- und abschwellenden Weiß. […] Das Weiß entzieht sich jeder Festlegung, es scheint sich ständig auszudehnen und zu verändern. Es ist Ruhe und Bewegung zugleich, ist grenzenlos und nimmt dem Bild seinen materiellen Zustand“, so der Maler 1963 über seine Werke. Er sah Weiß als Ruhe und Bewegung, als Aktivität und Passivität: Als gegensätzliche Pole von Energien, die es zu vereinen galt.

 

Raimund Girke in seinem Atelier, 1992. Foto: Martin Müller, Berlin.
Als groß angelegte Retrospektive zeigt das MKM Museum Küppermühle im Duisburger Innenhafen „Klang der Stille“ mit Werken von Raimund Girke (1930–2002). Kuratiert haben die Sonderausstellung seine Tochter und Nachlassverwalterin Madeleine Girke und Museumsdirektor Prof. Dr. h. c. Walter Smerling. Aus Anlass seines 20. Todestages in diesem Jahr zeigt das MKM Museum Küppersmühle Werke aus fast 50 Schaffensjahren und würdigt seinen bedeutenden Beitrag zur deutschen Malerei nach 1945. Dabei reichen die gezeigten Bilder von normalen bis hin zu großformatigen Werken, die in den Wechselausstellungsräumen des Museums besonders gut zu Geltung kommen. Die umfangreiche Retrospektive mit etwa 130 Werken aus der gesamten Schaffenszeit des Künstlers ist ein Projekt der Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Bonn, die in Duisburg das Museum Küppersmühle betreibt. Gefördert wird die Ausstellung von der Evonik Industries AG. Die Sonderausstellung wird heute Abend mit geladenen Gästen eröffnet.

 

 
Der Künstler

Raimund Girke Erdfarben, 1956. 55 x 65 cm, Öl auf Leinwand. Sammlung Karin Girke / Courtesy Walter Storms
Galerie München. Foto: Friedrich Rosenstiel.
Raimund Girke gilt als einer der maßgeblichen Wegbereiter der analytischen Malerei, der durch seine Auseinandersetzung mit der Farbe Weiß bekannt geworden ist. Geboren wurde er 1930 in Heinzendorf (Jasienica) bei Breslau als Sohn eines Kunstlehrers und Schulleiters. Ende des zweiten Weltkriegs floh die Familie aus Niederschlesien und ließ sich im Osnabrücker Land nieder. Nach seinem Abitur 1951 studierte Girke bis 1952 an der Werkkunstschule Hannover und anschließend bis 1956 an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Von 1966 bis 1971 war er Dozent an der Werkkunstschule Hannover, von 1971 bis 1996 Professor an der Hochschule der Künste Berlin. Seit den 1980er-Jahren hatte Girke ein Atelier in Köln, welches seine Tochter Madelaine erst 2017 auflöste. Er starb 2002 und liegt in Köln auf dem Melaten-Friedhof begraben.
Siehe auch: Wikipedia und www.raimundgirke.com.

 

Raimund Girke
Fluktuation, 1965. 95 x 70 cm, Öl auf Leinwand. Private collection, courtesy of Axel Vervoordt Gallery. Foto: Jan Liégeois.
Ausgehend von gestisch-informeller Abstraktion gelangte Raimund Girke gegen Ende der 1950er-Jahre zu beinahe monochromen Bildern. Er reduzierte seine Palette auf wenige Farben und thematisierte diese als Licht-Erscheinungen, die er auf verschiedene Weise bis hin zur optischen Irritation rhythmisch strukturierte. Die zunehmende Verfeinerung des Pinselduktus’ führte Girke schließlich in den 1960er-Jahren hin zum Verzicht auf jede Malgeste: Mit der Verwendung der Spritzpistole erreichte er eine gleichmäßig-homogene Verteilung seiner nun fast ausschließlich weißen Farbe. Die Bilder dieser Zeit sind oftmals horizontal gegliedert oder in kaum mehr differenziert wahrnehmbaren Abschattungen und Hell-Dunkel-Übergängen fein gerastert. Sie sind eine Herausforderung an die Wahrnehmung des Publikums.

 

Raimund Girke Echo der Nacht, 1997/98. 200 x 220 cm, Öl auf Leinwand. Kunstpalast, Düsseldorf – Stiftung Sammlung Kemp. Foto: Horst Kolberg.
Zu Beginn der 1970er-Jahre verwarf der Maler die Spritztechnik wieder zugunsten einer ausdrucksstärkeren Gestik. In den Bildern dieser Zeit brechen breite Pinselstriche ihre eigene, weiterhin oft horizontal gestaffelte Ordnung dynamisch auf. Bewegung und Tiefe kommen in das Bildgeschehen, die Fläche wird zum Hell-Dunkel-Phänomen. Seit Mitte der 1980er-Jahre pulsiert Girkes Farbe wieder in einem breiteren Spektrum, das nun auch Erdfarben oder vielfältige Blautöne enthalten kann. Pinselstriche bewegen sich kraftvoll mit- und gegeneinander oder vernetzen sich in einem über das Bildformat hinausweisenden dynamischen Geflecht. Dabei ist das Malverfahren über die Pinselspuren immer deutlich ablesbar, was eine verblüffende Diskrepanz ergibt zu der spirituell-meditativen Wirkung dieser entgrenzten Werke jenseits von Fläche oder Raum.

 
Ein umfassender Katalog zur Ausstellung mit einem Beitrag von Florian Illies und einem Gespräch mit Peter Iden, geführt von Walter Smerling, erscheint Ende April.

 

 
Das Museum Küppersmühle als Kunstwerk um die Moderne Kunst

Das Museum Küppersmühle für Moderne Kunst. Foto: Petra Grünendahl.
Das Museum Küppersmühle für Moderne Kunst wurde im Jahre 1999 in einem ehemaligen Getreidespeicher im Innenhafen eröffnet. Er wurde nach Plänen der Basler Architekten Herzog & de Meuron zum Museum umgebaut. Initiator des Museumsprojekts war der Duisburger Kunstsammler Hans Grothe (1930–2019). Grothes Sammlung umfasste über 800 Werke von mehr als 40 deutschen Künstlern. Seit der Übernahme seiner Sammlung durch das Darmstädter Sammlerpaar Sylvia und Ulrich Ströher 2005 stieg die Anzahl der Ausstellungsstücke und der vertretenen Künstler noch erheblich an. Insgesamt handelt es sich um eine der wichtigsten und umfangreichsten Sammlungen deutscher Nachkriegskunst: Mit Werken und Werkgruppen der einflussreichsten deutschen Künstler von den 1950er Jahren bis heute. Zur Präsentation der ständigen Sammlung kommen immer wieder Wechselausstellungen hinzu. Seit 2008 war ein Erweiterungsbau (ein „Schuhkarton“ auf den Silotürmen) geplant, der 2011 wegen Baumängeln scheiterte. Bei einem neuen Anlauf beauftragten die Ströhers 2014 das Architektenbüro Herzog & de Meuron erneut mit der Planung eines Erweiterungsbaus (Baubeginn war 2016), der im September 2021 eröffnet wurde.

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Das MKM Museum Küppersmühle wird seit seiner Gründung von der Stiftung für Kunst und Kultur e. V. Bonn betrieben. Die Stiftung konzipiert und organisiert die Ausstellungen und betreut die Sammlung Ströher im MKM. Direktor ist seit 1999 Walter Smerling.

 

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Museum Küppersmühle:
Duisburger haben donnerstags freien Eintritt

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst. Foto: Petra Grünendahl.
Die Ausstellung „Raimund Girke – Klang der Stille“ ist bis zum 26. Juni 2022 in den Erdgeschossräumen des Museums zu sehen. Das Museum Küppersmühle findet man im Innenhafen am Philosophenweg 55 (Haupteingang, der Parkplatz befindet sich auf der anderen Straßenseite). Mittwochs ist das Museum von 14 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstags bis sonntags sowie feiertags von 11 bis 18 Uhr. Montags und dienstags ist Ruhetag. Der Eintritt kostet nur für die Wechselausstellungen 6 Euro (ermäßigt 3 Euro), für das gesamte Haus (inkl. Wechselausstellung) 12 Euro (ermäßigt 6 Euro). Familien (2 Erwachsene plus Kinder) zahlen 18 Euro für das ganze Haus, 10 Euro für Wechselausstellungen. Kinder bis 16 Jahren haben freien Eintritt. Kindergruppen (Schule, Kita, Kinderfreizeit) zahlen 2 Euro pro Kind und Betreuer. Donnerstags haben alle Duisburger (gegen Vorlage des Personalausweises) freien Eintritt. Das MKM ist Partner der Ruhrkultur.Card. Alle Ausstellungsräume des Museums sind auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich.

 
Offene Führungen durch die Sammlung sowie durch laufende Ausstellungen gibt es jeden Sonntag um 15 Uhr, aber auch nach Vereinbarung. Informationen zu Führungen und dem Begleitprogramm zu Ausstellungen gibt es unter www.museum-kueppersmuehle.de). Aktuell gelten die 3G-Regel und allgemeine Hygieneregeln. Weitere Infos findet man hier.

 
© 2022 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (2), Horst Kolberg (1), Jan Liégeois (1), Wolfgang Morell, Bonn (1), Martin Müller, Berlin (1), Friedrich Rosenstiel (1)

 
 

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