Anzeige

Allianz Zweirad-Sicherheitsstudie: Unfallrisiken und Opferzahlen steigen

Pedelec und E-Scooter sind keine Spielgeräte
Von Petra Grünendahl

Ausweichen auf dem Radweg. Foto: Allianz.
Fast die Hälfte aller Schwerverletzten bei Verkehrsunfällen sind Zweiradfahrer, also mit Motorrad oder Moped, Fahrrad, Pedelec (E-Fahrrad, E-Bike) oder E-Scooter (E-Roller) unterwegs. In den letzten 20 Jahren stieg der Anteil der Zweiradfahrer von ¼ auf ⅓ der Verkehrstoten, bei den Schwerverletzten stieg ihr Anteil von ⅓ auf knapp die Hälfte – mit weiter steigender Tendenz. Der deutliche Anstieg bei den Zweirädern ist auch dem Trend zu Elektrozweirädern geschuldet. Das Spektrum der Zweiradsicherheit reicht vom Abbiegeunfall an innerörtlichen Einmündungen oder Kreuzungen über Motorradunfälle auf Landstraßen bis hin zum unspektakulären Sturz mit gravierenden Folgen.
Infografik: Allianz.
Viele sind Alleinunfälle, bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen haben häufig Pkw-Fahrer Schuld, bei einem von drei ihrer Unfälle sind Zweiradfahrer Hauptverursacher. Ursachsen sind neben dem Verletzen von Verkehrsregeln (dazu zählt auch die Geschwindigkeit) oft auch Leichtsinn oder einfach mangelndes Risikobewusstsein – insbesondere auch bei den Zweiradfahrern. „Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern um Bewusstsein für Gefahren“, hob Dr. Jörg Kubitzki, Unfallforscher am Alllianz Zentrum für Technik (ATZ), hervor. „Es bringt Ihnen als Radfahrer nichts, wenn der Autofahrer Schuld ist, aber Sie tot sind!“, brachte es auch Jochen Haug, Schadenvorstand der Allianz Versicherungs-AG, auf den Punkt.

 

Infografik: Allianz.
Nirgendwo in der Straßenverkehrsunfallstatistik ist das Dunkelfeld so hoch wie im Zweiradverkehr, das betrifft vor allen anderen den Fahrradunfall. Erfasst sind knapp 300.000 Menschen, die sich weltweit jedes Jahr im Straßenverkehr als Zweiradfahrer tödliche Verletzungen zuziehen. In der EU sind es über 6.000 Tote, in Deutschland waren es im vergangenen Jahr fast 1.000. Und die Unfallrisiken für Zweiradfahrer sind in den vergangenen Jahren nicht gesunken, sondern deutlich gestiegen. Die Gründe dafür und andere Fragen rund um das Zweirad hat die Allianz in ihrer aktuellen Zweirad-Sicherheitsstudie untersucht. Allianz-Schadenvorstand Jochen Haug stellte die Studie zusammen mit Dr. Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer der AZT Automotive GmbH (Allianz Zentrum für Technik), und Unfallforscher Dr. Jörg Kubitzki im Pressegespräch vor.

 

 
Zweiräder auf dem Bürgersteig: Unfälle mit Fußgängern häufen sich

Infografik: Allianz.
Der Zweirad-Verkehr boomt: Angesichts stetig steigender Fahrradkilometer in Folge von Corona-Pandemie und gestiegenem Umweltbewusstsein steigt natürlich auch die Zahl an Unfällen. Aber Zweiräder haben weder eine Knautschzone noch einen Sicherheitskäfig. Zum menschlichen Leid des Geschädigten kommt auch der wirtschaftliche Schaden. Die Suche nach Unfallursachen offenbart auch Ansätze, die Opferzahlen und Schäden zu reduzieren.

 

Infografik: Allianz.
Die Trennung von Auto- und Radverkehr gilt heute als wichtige Unterstützung zur Gewährleistung der Sicherheit. Nach internationaler Forschung fühlen sich Fahrrad- und E-Scooter-Nutzer umso sicherer, je getrennter sie vom Autoverkehr unterwegs sind, und nehmen auch regelwidrige Bürgersteig-Nutzung in Kauf. „Es darf keinen Kampf um den Bürgersteig geben, um sicher unterwegs zu sein“, sagt Jochen Haug. „Das ist weder im Sinne des Rad- noch des Fußverkehrs.“ Unfälle zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern nahmen nach AZT-Berechnung in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent zu. „Die Unfälle passieren nicht alle auf dem Gehweg“, erklärt Christoph Lauterwasser, Leiter des AZT, „dennoch mangelt es in Deutschland an einer Philosophie der Trennung von Rad- und Fußverkehr.“

 

Infografik: Allianz.
„Nicht das Verkehrsmittel selbst ist die Gefahr. Aber die Art seiner Nutzung hat Einfluss auf das Risiko“, erklärte Jochen Haug. Der E-Scooter darf als Elektrokleinstfahrzeug nur auf Radwegen, Radfahrstreifen und in Fahrradstraßen fahren, wenn diese fehlen auf der Straße, nicht aber in Fußgängerzonen oder auf Gehwegen. Weder wird ein Führerschein benötigt noch muss man einen Helm tragen. Allerdings dominiert bei den E-Scootern der Alleinunfall (42,6 Prozent): Die Verletzungen sprechen ganz klar für eine Helmpflicht. Die Fahrzeuge benötigen ein Versicherungskennzeichen, weil sie zur Deckung der Gefährdungshaftung versicherungspflichtig sind. Private Eigentümer denken da oft nicht dran, weil sie ihre E-Roller nicht in Geschäften kaufen, wo sie ein Verkäufer drauf hinweisen könnte. Aufgrund ihrer Größe werden die Fahrzeuge oft nicht als Kraftfahrzeuge angesehen, sondern als Spaß- und Freizeitgeräte: Fahrer unterschätzen das Risiko und das Gefährdungspotenzial für sich und für andere. Überdurchschnittlich hoch ist bei E-Scootern auch die Anzahl von Alkoholunfällen, wobei die gleichen Promillegrenzen gelten wie beim Führen eines Pkw.

 

Infografik: Allianz.
Besonders auffällig gestiegen sind die Zahlen der getöteten oder schwer verletzten Fahrradfahrer unter Einbeziehung des Pedelec (E-Fahrrad, E-Bike) im Straßenverkehr. Das AZT fordert, Unfälle mit E-Fahrrädern in der Statistik zu trennen und auch das Helmtragen in die Unfallstatistik mit aufzunehmen, um hieraus entsprechende Erkenntnisse sammeln und Schlüsse ziehen zu können. Das Risiko, bei einem Unfall getötet zu werden liege, so die Unfallforscher, auf dem E-Fahrrad 2,5-fach höher als auf dem herkömmlichen Rad. Der Anteil der tödlichen Kopfverletzungen an allen tödlichen Schädigungen bei Radfahrern liegt bei über 50 Prozent. Ohne Helm gibt es 2,5 Mal mehr Kopfverletzungen: Das Tragen eines Fahrradhelmes ist also dringend empfohlen, auch wenn sich der Gesetzgeber mit einer Helmpflicht (noch) schwer tut.

 

Anzeige

 
Mögliche Gegenmaßnahmen

Infografik: Allianz.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ist eine Helmpflicht in Deutschland nicht gesetzlich verankert, sondern lediglich eine Empfehlung. Allerdings legen die Verletzungen von Zweiradfahrern (egal, ob Fahrrad, Pedelec oder E-Scooter) eine solche nahe. Das gilt nicht nur für Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern, sondern speziell auch für die große Zahl an Alleinunfällen mit mehr oder weniger schweren Kopfverletzungen.

Anzeige

 
Immer noch ein Thema sind Beleuchtung und Reflektoren, auch wenn es einen Rückgang bei Dämmerungsunfällen in Untersuchungszeitraum gegeben hat, der aber möglicherweise auf Home Office und Lockdown zurückzuführen war. Auch das Thema Ablenkung sollte thematisiert werden, denn auch dies ein Sicherheitsrisiko darstellt.

Anzeige

 
E-Fahrrad und E-Scooter sind keine Spielgeräte

Einsicht in den Radweg. Foto: Allianz.
Auch wenn für E-Scooter und E-Fahrräder kein Führerschein vorgeschrieben ist – oder vielleicht auch genau deswegen –, ist es wichtig, das Wissen von (allen!) Zweiradfahrern über Verkehrsregeln zu stärken. Auch eine Risikoschulung zum Beispiel für Gefahren gerade in Kreuzungsverkehren ist ratsam: Zu wenig sind Zweiradfahrer hier der Risiken bewusst, welche Gefahrenpotenziale allein aufgrund der nicht vorhandenen Knautschzonen auf sie lauern. Vielleicht verzichtet man da einfach mal auf die Vorfahrt, wenn man sich nicht sicher sein kann, dass der Fahrer eines Kraftfahrzeugs einen auch gesehen hat.

 

Infografik: Allianz.
Und last but not least gilt vor dem Gebrauch von E-Scootern, aber auch für Leute, die nach Jahren ohne Fahrrad fahren aufs E-Fahrrad steigen: Hier sollte man ausgiebig abseits des Straßenverkehrs üben, um im Ernstfall sein Fahrzeug zu beherrschen und sicher unterwegs zu sein. Das gilt für Pedelec oder E-Scooter ebenso wie nach längeren Fahrpausen für Motorrad oder Pkw. Denn auch Elektrokleinstfahrzeuge wie E-Fahrrad oder E-Scooter sind keine Spaß- und Freizeitgeräte, sondern relativ schwere Kraftfahrzeuge ohne Fahrerschutz, aber mit einem entsprechenden Gefährdungspotenzial, die im Ernstfall beherrscht werden sollten.

 
Die Studie

Allianz Sicherheitsstudie Zweiradsicherheit. Foto: Allianz.
Für die Studie führte das Allianz Zentrum für Technik mit dem Institut Ipsos eine repräsentative Telefonerhebung unter 1205 deutschen und 500 deutsch- und französischsprachigen schweizerischen Fahrradfahrern durch und analysierte mit der Hochschule Coburg 1000 Allianz Schadenakten zufällig ausgewählter Fahrrad- und Motorradunfälle. Das Allianz Zentrum für Technik ist Unterzeichner der European Road Safety Charter.

 
© 2022 Petra Grünendahl (Text)
Fotos / Infografiken: Allianz

 
 

Anzeige
Anzeige
Anzeige

Sie muessen eingeloggt sein um einen Kommentar zu schreiben Einloggen