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Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet: Konjunkturaussichten schlecht wie lange nicht mehr

Nach Corona setzen Lieferengpässe und teure Energie der Wirtschaft weiter zu
Von Petra Grünendahl

Stellten die Konjunkturumfrage vor (v. l.): Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber und IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann (beide IHK zu Dortmund). Foto: Stephan Schütze.
Die Einschätzungen und Erwartungen der Unternehmen im Ruhrgebiet zur Konjunkturentwicklung sind negativ wie seit Beginn 2009 zur letzten großen Wirtschaftskrise nicht mehr. Von Corona und Lieferengpässen schon länger gebeutelt, setzen nun der Ukraine-Krieg und steigende Energiekosten den Unternehmen weiter zu. Zudem dämpft die Inflation das Konsumklima deutlich, was – je nach Branche – auch Auswirkungen auf die Erwartungen der Unternehmer hat.
IHK Ruhrkonjunktur Herbst 2022. Foto: Screenshot.
Waren die Prognosen zu Jahresbeginn noch verhältnismäßig positiv, so haben sich die Zukunftsaussichten zuletzt sehr stark eingetrübt. Insgesamt bewerten 82 Prozent aller befragten Unternehmen im Ruhrgebiet ihre aktuelle Geschäftslage (noch) mit gut oder befriedigend. Zum Jahresbeginn waren es 84 Prozent und vor einem Jahr 87 Prozent. Von schlechten Geschäften berichten aktuell 18 Prozent. Stark eingebrochen sind vor allem die Erwartungen: Seine zukünftige Geschäftslage sieht mehr als jeder zweite Betrieb (52 Prozent) pessimistisch. Vor einem halben Jahr erwartete nur jedes sechste und vor einem Jahr jedes siebte Unternehmen eine negative weitere Entwicklung.

 

Stellten die Konjunkturumfrage vor (v. l.): Gero Brandenburg, Stefan Schreiber, Heinz-Herbert Dustmann (alle IHK zu Dortmund) und Michael Bergmann (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, Bochum). Foto: Stephan Schütze.
Den neuen Konjunkturlagebericht der Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet stellte die in diesem Jahr federführende IHK zu Dortmund im Pressegespräch vor. Die Umfrage der Ruhr-IHKs gilt die als größte Konjunkturumfrage des Ruhrgebiets. Heinz-Herbert Dustmann, Präsident der IHK zu Dortmund, betonte: „Einen vergleichbaren Pessimismus gab es als Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise in unserer Umfrage zuletzt Anfang 2009, als 48 Prozent der Unternehmen negative Geschäftserwartungen kalkulierten.“ Als Hauptprobleme benannte Dustmann die enormen Preisanstiege bei den Energiekosten – als eine direkte Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – und die – nach wie vor – weltweit gestörten Lieferketten.

 

 
Pessimistische Erwartungshaltung: Konjunkturklimaindikator fällt um 38 Punkte

IHK Ruhrkonjunktur Herbst 2022. Foto: Screenshot.
Das schlechte Stimmungsbild zeigt sich auch im Konjunkturklimaindikator, dem Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung. Er fiel um satte 38 auf 77 Punkte: Ein Absturz, wie es ihn seit 2003 nicht mehr gegeben hatte. Pessimistisch ist besonders der Handel, drückt doch eine Inflationsrate von zehn Prozent ganz massiv auf das Konsumklima und die Kaufkraft der Bürger. Dazu kommen steignde Energiepreise in der Kostenkalkulation der Unternehmen. Sechs von zehn Handelsbetrieben erwarten in den kommenden Monaten eine schlechtere Geschäftslage, im Einzelhandel sind es sogar 72 Prozent (beide lagen zum Jahresbeginn 2022 bei 21 Prozent). „Ein ein Szenario, das selbst den Einbruch im ersten Corona-Lockdown noch in den Schatten stellt“, so Dustmann.
IHK Ruhrkonjunktur Herbst 2022. Foto: Screenshot.
Gestiegene Energie- und Rohstoffpreise belasten auch die Industrie, dazu kommen Lieferprobleme bei Metallen. Insbesondere Industriebetriebe macht der Energiepreisanstieg Sorgen (95 Prozent), insgesamt fürchten 86 Prozent der befragten Unternehmer die steigenden Energie- und Rohstoffpreise. Die Bauindustrie belasten neben steigenden Energiekosten zunehmende Engpässe bei Stahl und Bitumen. Bei den Dienstleistern fürchten 77 Prozent (Jahresbeginn 2022: 48 Prozent) der Unternehmen steigende Energie- und Rohstoffpreise. In der Verkehrs- und Logistikbranche stellen die hohen Preise für drei Viertel (Jahresbeginn 2022: 72 Prozent) und im Gastgewerbe sogar für jeden (!) der befragten Betriebe – also 100 Prozent – (Jahresbeginn 2022: 79 Prozent) ein wirtschaftliches Risiko dar. Angesichts dieser Werte verwies IHK-Präsident Dustmann auf zahlreiche negative Entwicklungen in der Industrie, in der mittlerweile einzelne Produktionsanlagen stillgelegt würden, um Energie einzusparen. Auch Geschäftsaufgaben im Bereich Handel und Dienstleistungen wegen immenser Preissteigerungen seien mittlerweile bittere Realität.

 

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„Wir brauchen die Industrie“: Warnung vor Wohlstandsverlust

IHK Ruhrkonjunktur Herbst 2022. Foto: Screenshot.
„Wenn diese Einzelfälle zum Trend werden, drohen unserer Gesellschaft Wohlstandsverluste in bislang unvorstellbarem Ausmaß“, warnte Dustmann, der zugleich aber auch anerkennende Worte für den Zwischenbericht der Gaspreiskommission und die neuen Pläne der Bundesregierung für eine Strompreisbremse fand. „Die Forderungen der IHK-Organisation, der Kommunen und der Wirtschaftsverbände haben für gute Ansätze gesorgt. Die Gaspreisdämpfung könnte in der akuten Krise helfen, ist aber keine Dauerlösung. Wir müssen weiter mit Tempo an der massiven Ausweitung des Energieangebots auf allen Ebenen arbeiten“, betonte er. „Die Unternehmen haben jetzt große Nöte. Stadtwerke und Energieversorger müssen Beschlüsse der Bundesreg umsetzen. Das geht nicht auf Knopfdruck und braucht schnelle finanzielle Unterstützung durch den Bund, wenn die Dezember-Abschläge fürs Gas ausbleiben“, ergänzte Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund.

 

IHK Ruhrkonjunktur Herbst 2022. Foto: Screenshot.
Die wirtschaftliche Notlage färbt auch negativ auf die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen ab. Lediglich jedes siebte Unternehmen (Jahresbeginn 2022: 23 Prozent) beabsichtigt, mehr Personal einzustellen, während jedes fünfte (Jahresbeginn 2022: Elf Prozent) einen Abbau erwartet. Vor allem im Einzelhandel und im Gastgewerbe macht sich die Gesamtsituation bemerkbar: Mit jeweils knapp einem Drittel geben die Unternehmen im Einzelhandel (Jahresbeginn 2022: 13 Prozent) und im Gastgewerbe (Jahresbeginn: 25 Prozent) an, den Personalbestand deutlich abzubauen. Positiv werteten die Wirtschaftsvertreter die aktuellen Investitionen von thyssenkrupp in Dortmund und Bochum, wo jüngst eine neue Feuerbeschichtungsanlage in Betrieb genommen bzw. ein neuer Grundstein am Kompetenzzentrum für Elektromobilität und höherfeste Stähle gelegt wurde. „Wir brauchen die Industrie, sie ist Garant für Wohlstand“, so Dustmann.

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Konjunkturumfrage der IHKs im Ruhrgebiet

Stellten die Konjunkturumfrage vor (v. l.): Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber und IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann (beide IHK zu Dortmund) mit Michael Bergmann (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, Bochum). Foto: Stephan Schütze.
Die Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet fragen zwei Mal im Jahr (zum Jahresanfang und im Herbst) bei ihren Mitgliedsunternehmen unter anderem danach, wie sie ihre gegenwärtige wirtschaftliche Lage beurteilen, ob sie von Insolvenz bedroht sind und mit welcher Geschäftsentwicklung sie in den kommenden Monaten rechnen. Bei der Umfrage Ende September bis Anfang Oktober hatten sich rund 700 Unternehmen mit insgesamt 84.000 Beschäftigten beteiligt. Auch die Unternehmen im hiesigen IHK-Bezirk haben zum Ruhrlagebericht beigetragen. Zu den Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet zählen neben der Niederrheinischen IHK Duisburg, Wesel, Kleve zu Duisburg die IHK Mittleres Ruhrgebiet Bochum, die IHK zu Dortmund, die IHK für Essen, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen zu Essen, die Südwestfälische IHK zu Hagen und die IHK Nord Westfalen (mit dem Standort Gelsenkirchen für die Emscher-Lippe-Region).

Mehr zum 109. Konjunkturbericht der IHKs im Ruhrgebiet findet man hier: www.ihks-im-ruhrgebiet.de. Und hier ist die pdf zum Download.

 
© 2022 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Stephan Schütze / IHK zu Dortmund, Infografiken: Screenshots

 
 

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