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Sechster Jahresbericht der Duisburger Stadtarchäologie: Dispargum 2021

Geschichte der Stadt in ihren vielen Facetten sichtbar machen
Von Petra Grünendahl

Stellten den neuen Band von Dispargum vor (von links): Edeltraut Klabuhn, Kai Thomas Platz und Brigitta Kunz. Foto: Petra Grünendahl.
Sie sind das Grauen eines jeden Bauherren: Wenn irgendwo neu gebaut wird, darf immer erst die Stadtarchäologie gucken, ob sich auf dem Baugrund archäologisch wertvolle Baudenkmäler verbergen könnten. Alte Karten geben hier zum Beispiel Hinweise auf eine frühere Bebauung, die heute nicht mehr sichtbar ist. Zu Tage fördern die Archäologen Nachweise früherer Besiedlungen im Stadtgebiet. Manchmal weisen Fundstücke nicht nur auf erahntes, sondern zuweilen auch auf viel ältere Baustrukturen hin.
Blick ins Buch: Dispargum – Jahresberichte der Stadtarchäologie. Foto: Petra Grünendahl.
Diese werden erfasst und ausführlich dokumentiert, denn allzu häufig bleibt bei einer anschließenden Bebauung nicht mehr viel von dem Fund sichtbar oder gar übrig. Ihre Entdeckungen führen jedoch zu wichtigen Erkenntnissen über die Stadtgeschichte, die nicht aus schriftlichen Quellen zur Forschung verfügbar sind. So geben zum Beispiel vom römischen Kleinkastell Werthausen heute nur noch Pflastersteine im Asphalt an der Mündung Grüner Weg / Deichstraße einen Hinweis auf seine Existenz, wo sie die Umsrisse des Kastells nachzeichnen. Seit 2021 ist dieser Ort Teil des UNESCO Welterbes Niedergermanischer Limes und damit von überregionaler Bedeutung. Seine historische Präsenz und Bedeutung haben Archäologen in den vergangenen 130 Jahren erforscht und Interessierten zugänglich gemacht.

 

Stellten den neuen Band von Dispargum vor (von links): Kai Thomas Platz, Edeltraut Klabuhn und Brigitta Kunz. Foto: Petra Grünendahl.
Pünktlich zum Jahresende ist der sechste Band der Reihe „Dispargum – Jahresberichte der Stadtarchäologie“ für das Berichtsjahr 2021 erschienen. Dr. Kai Thomas Platz, Leiter der Stadtarchäologie, seine Stellvertreterin Dr. Brigitta Kunz und Bürgermeisterin Edeltraut Klabuhn stellten ihn im Pressegespräch vor. „Wir wollen mit dieser Publikation die Historie der Stadt sichtbar machen und interessierten Lesern die Erkenntnisse der Wissenschafter vermitteln“, so Edeltraut Klabuhn. Im Fokus stehen ein Rückblick auf die Maßnahmen des Jahres 2021 und eine Darstellung der archäologischen Aktivitäten und daraus gewonnenen Erkenntnisse für den Ortsteil Altstadt aus den Jahren 1893 bis 1962. Fortsetzungen zur den Aktivitäten in der Altstadt folgen über die nächsten Jahresberichte, denn besonders ab den 1970er-Jahren erlebte die Stadtarchäogolie unter dem damaligen Stadtarchäologen Günter Krause einen wahren Boom. Diese Fülle sei, so Platz, nur in überschaubaren Teilen zu vermitteln, so dass sich interessierte Leser im kommenden Jahr über die Fortsetzung von 1963 bis Mitte der 1980er-Jahre freuen können. Neun weitere wisschenschaftliche Beiträge in dem Buch zu verschiedenen Grabungen und archäologischen Forschungen im ganzen Stadtgebiet vervollständigen den Rückblick auf das Jahr 2021. Autoren sind Mitarbeiter der Stadtarchäologie oder externen Archäologen, zum Beispiel von den für die Grabungen beauftragten Fachfirmen.

 

 
Themenvielfalt spiegelt spannende Entwicklungen in Duisburgs Vergangenheit

Blick ins Buch: Dispargum – Jahresberichte der Stadtarchäologie. Foto: Petra Grünendahl.
Zwei Beiträge widmen sich dem Burgplatz, den die Stadt umgestalten möchte: Weg vom unpersönlichen Parkraum und hin zu einer Gestaltung mit Baukörpern in den Randbereichen, wie sie bis zum zweiten Weltkrieg hier vorhanden waren. Auf dem Ratsparkplatz, wo sich früher der Knüppelmarkt befand, wurden bei den Grabungen nicht nur unterschiedliche Schichten an Pflasterungen (siehe Titelfoto) gefunden, sondern auch Hinweise des später überbauten Pfalzgraben, der die Königspfalz umgab. Spätmittelalterliche und neuzeitliche Spuren erforschten die Archäologen zudem zum Beispiel in Gewölbekellern in den alten Dörfern im Stadtgebiet: „Nicht nur sind die alten Keller heute durch Um- und Neubauten anders überbaut“, so Brigitta Kunz, die zusammen mit Marius Kröner den Beitrag verfasste, „die Keller selber sind auch im Laufe der Jahrhunderte umgebaut worden, so dass hier unterschiedlichste Bauweisen und Ausbauten zu erkennen sind.“

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Blick ins Buch: Dispargum – Jahresberichte der Stadtarchäologie. Foto: Petra Grünendahl.
Da für den Umbau der Rheinkirche in Homberg zu einem Kolumbarium auch die Außenanlagen neu gestaltet wurden, kamen hier die Archäologen für Grabungen zum Einsatz: Sie entdeckten Überreste einer Vorgängerkirche und einer Klosterkirche aus dem Mittelalter sowie der dazugehörigen Klostergebäude.
Blick ins Buch: Dispargum – Jahresberichte der Stadtarchäologie. Foto: Petra Grünendahl.
Außerdem stellt Dr. Maxi Maria Platz in einem Fachbeitrag die Begriffe Industriearchäologie (wie z. B. die Ausgrabungen am heutigen LVR-Industriemuseum St. Antony in Oberhauen) und Industriekultur einander gegenüber und setzt sie in Beziehung zur Erzählung des Ruhrgebiets, das heute primär im Zusammenhang mit der Industrialisierung (ab 1750) gesehen wird, obwohl archäolgisch viel frühere Erkenntnisse vorliegen. Zum Leidwesen der Stadtarchäologen konzentriert sich auch die Stadt Duisburg in der Außendarstellung zu sehr auf die Industrialisierung und den Strukturwandel und lässt dabei viele Jahrhunderte spannender Geschichte(n) aus vorindustrieller Produktionstätigkeit außer Acht, die die Archäolgogen in ihren Jahresberichten interessierten Lesern zugänglich machen. Von den insgesamt 31 archäologischen Maßnahmen des Berichtsjahres 2021 sind 25 von externen Fachfirmen bearbeitet worden. Sechs Kleinere konnten die Stadtarchäologen neben ihren eigentlichen Tätigkeiten erledigen. Die archäologischen Funde und Erkenntnisse geben interessante Aufschlüsse über Duisburgs Vergangenheit, die hier in ihrer unerwarteten Vielfalt präsentiert werden.

 

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Das Buch und die spannende Frage: Warum „Dispargum“?

Blick ins Buch: Dispargum – Jahresberichte der Stadtarchäologie. Foto: Petra Grünendahl.
Die Publikation „Dispargum – Jahresberichte der Duisburger Stadtarchäologie“ wird finanziell gefördert vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen. Erschienen ist das 280-seitige bebilderte Werk im Großformat (21 x 30 cm) im Verlag Dr. Faustus. Für 39 Euro ist es im lokalen Buchhandel (ISBN 978-3-946387-46-6) zu haben. „Wir haben den Preis halten können, weil es uns wichtig ist, dass die Leute von unserer Arbeit lesen“, so Kai Thomas Platz. Auch wenn eine Veröffentlichung ihrer Erkenntnisse für die Stadtarchäologie gesetzlich verpflichtend ist: „Solche Publikationen in diesem Umfang von einer Stadtarchäologie müssen Sie in Deutschland erst mal finden“, merkte Platz an. Und: „Wir sind stolz darauf!“ Die bisherigen Bände erfreuten sich einer großen Verbreitung im deutschsprachigen Raum: „Duisburg ist für eine Archäologie bekannt.“

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Blick ins Buch: Dispargum – Jahresberichte der Stadtarchäologie. Foto: Petra Grünendahl.
„Das ‚Dispargum’ leiten wir ab von Castrum Dispargum, welches Gregor von Tours* in seinen ‚Zehn Bücher Geschichten’** erwähnt hat“, erzählte Thomas Platz. Die Schrift zählt zu den wichtigsten Quellen für die Übergangszeit zwischen der Spätantike und dem Frühmittelalter und gibt Castrum Dispargum als Hauptsitz des fränischen Herrschers Chlodio (er lebte im frühen 5. Jahrhundert) an. „Neuere Erkenntnisse belegen, dass unser Duisburg am ehesten für dieses ‚Castrum Dispargum’ in Frage kommt, weil es hier nachweislich einen fränkischen Königshof bzw. eine Königspfalz gegeben hat“, erklärte Platz. Die erste urkundliche Erwähung Duisburgs im Jahr 883, die für das Stadtjubiläum herangezogen wird, bezieht sich schließlich auf die Zerstörung der Siedlung durch die Wikinger. „Auch wenn Duisburg schon Jahrhunderte länger besiedelt war, wird es dabei bleiben müssen, denn wir können keine feste Jahreszahl für die früheste Besiedlung nachweisen“, so der Stadtarchäologe. Fest steht aber, dass Duisburg über 1600 Jahre Besiedlung mit Zeiten als Königshof, als Handelsplatz (mit seiner Lage an wichtigen Handelsrouten wie dem Westfälischen Hellweg) und schon zu vorindustrieller Zeit als Produktionsstandort nachweisen kann. Wir werden wohl trotzdem 2033 erst 1150 Jahre Duisburg feiern.

*) Gregor von Tours (538 – 594), Bischof von Tours und Geschichtsschreiber
**) „Geschichte der Franken“

 
© 2022 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl

 
 

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