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Essay: Präsidentschaftswahl zwischen Donald Trump und Kamala Harris in den USA

Was die Wahl so unberechenbar macht –
und warum uns das interessieren sollte
Von Petra Grünendahl

Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Arizona 2016. Foto: By Gage Skidmore, CC BY-SA 3.0, Link.
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Als Donald Trump 2015/16 für das höchste Amt der USA kandidierte, nahmen ihn viele erst nicht ernst: Zu rassistisch, zu frauenfeindlich trat der ehemalige Reality-TV-Star auf. Wie schon in seiner Fernseh-Show „The Apprentice“ machte er auch im Wahlkampf auf erfolgreichen Geschäftsmann. Das kam bei seinen MAGA-Fans (Make America Great Again) ebenso an wie sein Rassismus, seine Frauenfeindlichkeit, seine Aggressionen gegen Immigranten, gegen das Establishment und gegen die Bildungselite. Als er auf einer Wahlkampfveranstaltung einen behinderten (wohl Contergan-geschädigten) Journalisten lächerlich machte, dachten einige Beobachter: Das ist es! Der wird nicht Präsident! Dann kam das „Access Hollywood“-Video, in dem sich Trump als Sexualstraftäter outete. Spätestens hier hätte es für den Kandidaten zu Ende sein müssen. War es aber nicht: Er wurde gewählt. Nicht mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen – die gewann Hillary Clinton. Sondern mit Hilfe des Wahlmännergremiums, weil er in den entscheidenden „Swing States“ (die also nicht fest Demokratisch oder Republikanisch währen) ein paar wenige Tausend Stimmen mehr hatte als seine Gegenkandidatin und damit eine Mehrheit der Wahlmänner hinter sich brachte. Niemand war wohl so überrascht über seinen Wahlsieg wie Trump selber. Eine zweite Amtszeit verwehrte ihm 2020 Joe Biden, der auch für 2024 wieder kandidierte, nachdem Trump seine Kandidatur im November 2022 ankündigt hatte: Wohl in der Hoffnung, dass sich diverse Strafverfahren gegen ihn als Kandidaten erledigen würden. Dem war aber nicht so und mittlerweile ist er ein verurteilter Straftäter!

 

President Joe Biden poses for his official portrait, 2021, in the Library of the White House. Official White House Photo by Adam Schultz / Public Domain.
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In gut zweieinhalb Wochen stehen nun die Präsidentschaftswahlen in den USA an. Nach einer katastrophalen ersten Wahlkampf-Debatte gegen Donald Trump hatte sich Joe Biden zurückgezogen und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris den Weg zu ihrer Kandidatur freigemacht. Nun ist nicht mehr Joe Biden der „alte“ Kandidat, sondern Donald Trump. Dennoch scharen sich seine MAGA-Fans um ihn. Auch in der Republikanischen Partei geht nichts ohne ihn, obwohl er nach 2016 die eine um die andere Wahl verloren hatte: Mehrheiten im Kongress, Nachwahlen von ausgeschiedenen Senatoren oder Abgeordneten oder sogar Gouverneure – und das bis heute. Obwohl die Demokraten speziell seit der Wahl Bidens viele Mandate hätten verlieren müssen, übertrafen sie alle Erwartungen: Die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus ist gering (und wird immer weniger). Die Demokraten konnten Mandate halten und gewannen neue dazu. Was auch daran lag, dass, wo auch immer Trump Kandidaten in innerparteilichen Wettbewerben unterstützte, diese zu extrem für das allgemeine Wahlvolk waren.

 
Dennoch erfreut sich Donald Trump bei seiner Basis (den MAGA-Anhänger) einer großen Beliebtheit, die ihm eine zweite Amtszeit einbringen könnte. Und das obwohl die Bilanz seiner ersten Amtszeit für die Amerikaner trotz seiner Prahlerei und seines Schwadronierens eine Katastrophe war: Die gute Wirtschaft der ersten Jahre hatte er von Obama „geerbt“. Und obwohl Trump anderes prophezeit hatte, machten Industriebetriebe im Land dicht. Die Corona-Pandemie redete er schließlich klein, so dass in den USA überdurchschnittlich viele Menschen daran starben (mehr Republikaner übrigens als Demokraten). Außer bei der Weltwirtschaftskrise 1929 (Herbert Hoover) hat kein Präsident so viele Arbeitsplätze „verloren“ wie Donald Trump. Sein einziger Erfolg einer Gesetzgebung war eine Steuerreform, die zu allergrößten Teilen den Reichsten im Land zugute kam: „I just made all of you a lot richer“, prahlte er beispielsweise bei einem Essen mit Millionären und Milliardären in seinem Golfclub Mar-a-Lago.

 

 
 
Warum sind die Umfragen zwischen den Kandidaten so knapp

Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in New Hampshire 2024. Foto: By ArtaxerxesOwn work, CC BY-SA 4.0, Link.
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Im Gegensatz zur Administration von Joe Biden, die viel Geld in die Infrastruktur investiert, durch kluge Gesetzgebung wieder Industrieproduktion im Rust Belt fördert und ansiedelt, hat Trump für die arbeitende Bevölkerung gar nichts getan. Fabriken wurden geschlossen, Industriearbeitsplätze gingen schon lange vor Corona verloren. Seine Zölle auf chinesische Waren haben Vergeltungsmaßnahmen gegen die amerikanische Landwirtschaft hervorgerufen, die Washington zu Trumps Zeiten mit Zahlungen (Subventionen) an die Farmer ausgleichen musste: Das ländliche America wählt halt republikanisch.

Warum also sind Donald Trumps Anhänger so treu? Die Erfolge seiner Präsidentschaft halten sich schließlich in sehr engen Grenzen. Donald Trump ist kein Politiker – und auch kein erfolgreicher Unternehmer, als der er sich gerne verkauft. Er ist ein Unterhalter: „He’s funny“, hatte einer seiner Anhänger bei einer Wahlkampfveranstaltung erklärt, was er an dem Kandidaten mag. MAGA ist ein Kult! Und der wird massiv unterstützt von rechten Medien wie Fox News, One Amercia News Network (OAN) oder Newsmax, die ihr Publikum den ganzen Tag mit rechter Propaganda und Lügen berieseln und unterhalten statt mit „News“ und (realen) Fakten zu versorgen. Und dieses Publikum sucht sich auch keine anderen Quellen für Informationen.

 
Und manche seiner Anhänger meinen wohl auch, dass Trump nicht all die radikalen Aktionen, mit denen er sie in seinen Reden unterhält, wahrmachen würde. Das gilt wohl auch für seine Drohungen, seiner innenpolitischen Opposition die Nationalgarde oder das Militär auf den Hals zu hetzen. Er bezeichnet die Demokraten als „the enemy from within“ (der Feind im eigenen Land). Die Presse ist „enemy of the people“ (in Deutschland wird dafür gerne der Begriff „Lügenpresse“ verwendet), was ihn schon lange – seit seiner ersten Amtszeit und zunehmend mehr – als Faschisten entlarvt, seine Fans aber eher noch jubeln lässt. Und wenn es um die Deportation von Millionen Menschen geht, denen er einen illegalen Aufenthalt im Land unterstellt: Da werden schnell auch Legale und sogar US-Bürger mit deportiert, weil sie sich nicht schnell genug ausweisen können – und eben nicht Weiß sind! Viele der „Illegalen“ jedoch halten die Wirtschaft am Laufen: In Jobs, die kein Amerikaner machen will. Das wird alles Folgen haben für die amerikanische Wirtschaft, die Inflation und den Wohlstand in der Bevölkerung. Aber wie schon andere Kommentatoren immer wieder betonen: Man kann kein kritischen Denken von seinen Fans erwarten, die immer noch meinen, „I love the poorly educated“, so sagte Donald Trump einmal, sei ein Kompliment gewesen.

 
In seiner ersten Amtszeit gab es noch Mitarbeiter in seinem Kabinett und in den Stäben, die das Schlimmste verhindern konnten. Die wird es bei einer zweiten Amtszeit nicht mehr geben. Der Leitfaden für eine zweite Amtszeit ist das „Mandate for Leadership: Project 2025“ der rechten Denkfabrik Heritage Foundation gibt viele Hinweise, wohin die Rechten Amerika in naher Zukunft führen wollen. Mit einer Armee von Speichelleckern in Ministerien und in sogar (unpolitischen) administrativen Ämtern.

 

Donald Trump ungeschminkt beim Golfspielen. Foto: Cliff Hawkins / Getty Images / Quelle: People Magazine.
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Auch wenn Donald Trumps Auftritt bei der Debatte gegen Joe Biden anderes vermuten lässt: Videoaufnahmen seiner Wahlkampfauftritte zeigen schon länger, dass er geistig arg nachlässt (Demenz liegt in seiner Familie), er wirres und unzusammenhängendes „Zeugs“ redet. Nikki Haley, seine Gegenkandidatin um die republikanische Kandidatur, hatte ihn als „unhinged“ bezeichnet – und ihm in den Vorwahlen viele Wählerstimmen abgenommen. Aktuelle Umfragen unterschiedlichster Demografien sehen mal Kamala Harris vorne, andere sehen ein „unentschieden“ oder gar Trump in Führung. Viele Beobachter – insbesondere die „Progressiveren“ – sind fassungslos, wie es so knapp sein kann und wie es noch immer Leute gibt, die nicht wissen, wen sie wählen wollen. Selbst wenn man argumentiere, man wisse nicht genug über Kamala Harris, argumentieren sie: „Wir wissen genug von Donald Trump!“ und warum dieser nie wieder ins Weiße Haus einziehen dürfe. Donald Trump verrät zudem genug, dass jeder Wähler seine Rechte und Freiheiten gegen ihn verteidigen sollte!

 
Selbst wenn Kamala Harris eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen bekommt, heißt dass noch lange nicht, dass sie die Wahl gewinnt: Aktuell geht man von acht „Swing States“ aus, die die Wahl entscheiden. Sie müsste von diesen acht Staaten in genug Wahlmänner bekommen, um die nötige Mehrheit von 270 Stimmen zu haben. Das heißt: Besonders dort müssten auch alle Leute, die Trump nicht haben wollen, wählen gehen – und Demokratisch wählen. Und hoffen, dass ihre Stimmen dann auch zählen und gezählt werden: In vielen Bundesstaaten haben Republikaner Mehrheiten in den Regierungen. Gerne werden dort Wähler aus Wählerverzeichnissen gestrichen, Wahllokale geschlossen oder anderweitig vor allem Nicht-Weiße an ihrem Wahlrecht gehindert. Diese gesetzlich verankerte Wählerunterdrückung hat nach Trumps Niederlagen2020 weiter zugenommen. In vielen Staaten sitzen in den Wahlkommissionen zudem Wahlergebnisverweigerer (die immer noch glauben, Trump habe 2020 gewonnen), die angekündigt haben, Ergebnisse nicht zertifizieren zu wollen. Das alles geht natürlich zu Lasten der Demokraten!

 

Kamala Harris und Tim Walz bei einer Wahlkampfveranstaltung in Arizona 2024. Foto: By Gage Skidmore – https://www.flickr.com/photos/22007612@N05/53915639353/, CC BY-SA 2.0, Link.
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Wenn man den Umfragen glauben darf, wird ein Sieg für Kamala Harris schwierig: Manche Demografien zeigen sich sprunghaft. Im Gegensatz dazu sind Trumps MAGA-Anhänger enthusiastisch – und sie gehen wählen. Das gilt nicht für alle Wählergruppen. Vor allem jüngere gehen häufig nicht wählen. Und vielen ist gar nicht bewusst, dass es bei dieser Wahl auch um den Fortbestand der amerikanischen Demokratie und ihrer eigenen Freiheit geht. Manche Wähler wollen keine der beiden großen Parteien wählen und orientieren sich anders, obwohl ihre Kandidaten in einem Zwei-Parteien-System mit Wahlmännergremium chancenlos sind: Und diese so genannten Drittparteien nehmen dann genau dem Kandidaten Stimmen ab, denen sich inhaltlich am nächsten stehen. Ohne die „Green Party“ hätte Hillary Clinton 2016 gewonnen – und Jill Stein brüstet sich seitdem damit, dass sie Trump zum Sieg verholfen hat: Ihr Wahlkampf wird auch in diesen Jahr von dessen Geldgebern finanziell unterstützt. Ein Schelm, der böses …

 

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Folgen eines Wahlsieges von Donald Trump

US-Flagge. Foto: Luiza (Aktim) / pixabay.
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Trumps angekündigte Deportationen alleine sollten die Inflation in den USA anheizen und die amerikanische Wirtschaft in eine Krise stürzen. Außerdem will Trump Zölle auf Einfuhren erheben: 60 Prozent, 100 Prozent, sogar 200 Prozent oder noch mehr. Und das kann ein Präsident ohne den Kongress tun. Auch das treibt die Inflation, denn die Zölle sind ja nichts anderes als Verbrauchssteuern für amerikanische Konsumenten, auch wenn Trump behauptet, Zölle zahlen die Länder, aus denen importiert wird. Das heißt: Der amerikanischen Konsument kriegt weniger für sein Geld. Auf amerikanischen Zölle erfolgen natürlich Vergeltungszölle. Und die Krise in der amerikanischen Wirtschaft wird weltweit negative Auswirkungen haben.

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Donald Trump will Diktator werden, nicht nur „only on day one“, wie er im Interview bei Fox News Sean Hannity versicherte. Seine Vorliebe für Autokraten ist mindestens seit 2015/16 mehr als deutlich, gerne wäre er selber einer: Ein Strongman (starker Mann). Spoiler-Alarm: Niemand beklagt weinerlicher, wie unfair alle zu ihm sind, als Trump. Mark Milley, unter Trump Generalstabschef der Streitkräfte, nannte ihn im Gespräch mit dem Journalisten Bob Woodward „a Fascist to the core“ (ein Faschist durch und durch). Ehemalige Kabinettsmitglieder und Mitarbeiter aus den politischen Stäben waren: „Trump is unfit to be president!“ Führende Republikaner stellen sich offen gegen ihren Partei-Kandidaten und unterstützen Kamala Harris.

 
Und sie gucken dabei auch über die Landesgrenzen hinaus, welche Auswirkungen zu erwarten sind: Dass Trump in einer zweiten Amtszeit aus der NATO aussteigen würde, war schon 2020 allen klar. Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges, bei dem sich Trump auf die Seite des Aggressors Putin stellt, erklärt er immer deutlicher, dass er NATO-Partnern nicht bestehen würde: Solle Putin doch machen, was er will, so Trump. Dass Donald Trump schon einmal aus dem Pariser Klima-Abkommen ausgestiegen ist, sollte uns eine Warnung sein! Und dass er seinen (evangelikalen) Kult-Anhängern gesagt hat: Wählt jetzt für mich, dann braucht ihr nie wieder wählen, sollten wir ernst nehmen!

Und hier ist: Amerika hat gewählt!

 
© 2024 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Luiza (Aktim) / pixabay (1), Gage Skidmore (2), Adam Schultz (1), Artaxerxes / CC BY-SA 4.0 (1), Cliff Hawkins / Getty Images / Quelle: People Magazine (1)

 

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