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Durch Rationalisierungsmaßnahmen und Produktionsverlagerung ins Ausland nimmt die Zahl der (Fach-)Arbeitenden im produzierenden Gewerbe seit Jahren ab. Parallel steigt die Bedeutung von Angestelltentätigkeiten im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen, wie Forschung und Entwicklung. Angestellte machen daher nach Auswertungen des Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) inzwischen über 70% der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe aus – was Industriegewerkschaften vor Herausforderungen stellt. Bisher beziehen sie ihre Organisationsmacht vor allem aus den gewerblichen Bereichen der Produktion. Je mehr der Anteil der Arbeiter zurückgeht, desto größer ist die Gefahr, dass sie ihre Durchsetzungsfähigkeit in Tarifverhandlungen, ihre Ressourcenstärke und ihre gesellschaftliche Stellung verlieren.
Vor diesem Hintergrund analysiert der aktuelle Report des IAQ am Beispiel von IGBCE und IG Metall, was Gewerkschaften tun können – und bereits tun –, um Industrieangestellte breiter zu organisieren und zu vertreten. Er stützt sich auf Ergebnisse einer eigenen, erstmalig durchgeführten, standardisierten Befragung von Angestellten (n = 1.045) im Verarbeitenden Gewerbe. Ergänzend wurden Workshops mit Experten der IGBCE und der IG Metall ausgewertet.
Die Ergebnisse der Befragung verweisen auf ambivalente Arbeitsbedingungen der Angestellten: Auf der einen Seite erscheint ein größerer Teil relativ zufrieden mit ihrer Bezahlung, den Möglichkeiten, ihre Arbeitszeiten nach ihren Bedürfnissen zu gestalten oder auch der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Zugleich berichtet ein erheblicher Teil der Befragten über Zeitdruck bei der Arbeit und eine Intensivierung der an sie gestellten Anforderungen. Und auch bei Themen wie Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen wird noch Verbesserungsbedarf gesehen. „Hier zeigen sich durchaus Ansatzpunkte, die von den Gewerkschaften erfolgreich genutzt werden könnten, um Angestellte breiter zu organisieren“, ist sich Prof. Dr. Thomas Haipeter, Leiter der Forschungsabteilung Arbeitszeit und Arbeitsorganisation (AZAO) am IAQ, sicher.
Knapp ein Drittel der befragten Angestellten sind bereits Mitglied in einer Gewerkschaft. Davon halten rund 92% deren Arbeit für (sehr) wichtig. Eine Position, die auch von rund zwei Dritteln der Nichtmitglieder geteilt wird. Weniger wichtig wird die Gewerkschaftsarbeit allerdings von den Befragten für die eigene Person eingeschätzt: 80% der Mitglieder, aber nur 40% der Nichtmitglieder erkennen die Wichtigkeit für die eigene Person an. „Für die Gewerkschaften bedeutet dies, dass sie den Transfer vom ‚allgemein wichtigen gesellschaftlichen Gut‘ hin zur persönlichen Bedeutsamkeit bewältigen müssen“, ordnet Arbeitsforscherin Dr. Angelika Kümmerling die Ergebnisse ein. Eine weitere Schwierigkeit: Nur 41% der Befragten hatte bereits Kontakt zu Gewerkschaften, unter den Nichtmitgliedern sind es sogar nur 27%.
Um Industrieangestellten besser zu erreichen, haben IGBCE und IG Metall thematische Aktionen, die auf die Gruppe der Angestellten abzielen, gestartet. Mit der Kampagne „Home-Office muss fair sein“ nahm die IG Metall ein zentrales Thema der Arbeitsrealität der Industrieangestellten auf. „Diese Kampagne und andere Maßnahmen der Gewerkschaften zeigen, dass die Beteiligung der Beschäftigten gerade bei den Hochqualifizierten ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Organisierung und Vertretung ist“, so die Arbeitsforscherin Dr. Sophie Rosenbohm. Auch wird von den Experten beider Gewerkschaften betont, dass die Aktivitäten in den Betrieben mit und über die Betriebsräte koordiniert werden müssen. Deren Aktivierung für die Organisierung und Vertretung der Angestellten ist aus Sicht aller Befragten eine Kernaufgabe für die Gewerkschaft. Einig ist man sich, dass die Interessenvertretungen dafür ihre Zusammensetzung ändern und mehr Angestellte für ihre Arbeit gewinnen müssen. Auch eine neue Art der Ansprache sei nötig, um höherqualifizierte Angestellte zu erreichen.
Universität Duisburg-Essen (UDE)
Die Universität Duisburg-Essen wurde am 1. Januar 2003 durch die Fusion der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und der Universität-Gesamthochschule Essen (beide 1972) gegründet. Sie gehört mit rund 40.000 Studenten aus 130 Nationen zu den – nach Studentenzahlen – zehn größten deutschen Universitäten. Sie verfügt über ein breites, international ausgerichtetes Fächerspektrum. Sie ist ein Zentrum der nanowissenschaftlichen und biomedizinischen Forschung sowie der Lehrerausbildung in NRW und bietet mehr als 240 Bachelor- und Masterstudiengänge an. Nach dem Times Higher Education (THE) Ranking belegt die Universität Duisburg-Essen unter den Hochschulen 2020 den 194. Platz weltweit.
www.uni-due.de
Universität Duisburg-Essen (UDE)
Foto: Markus Winkler / pexels
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