Nicht in Genehmigungsprozesse involviert,
von Sicherheitsbedenken nichts gehört
Von Petra Grünendahl
“Als Berlin die Loveparade nicht mehr haben wollte, hat der KVR* das Ruhrgebiet mit mehreren Städten als Veranstaltungsort ins Spiel gebracht“, erzählte Adolf Sauerland. Nachdem 2007 eine Rahmenvereinbarung geschlossen war, habe er für die Veranstaltung 2010 in Duisburg eine Projektgruppe in der Verantwortung des Rechts- und Ordnungsdezernats aufgestellt. Dem Beigeordneten Wolfgang Rabe mit seinem Dezernat seien alle beteiligten Ämter und Behörden untergeordnet worden. Er selber habe sich in keiner Phase in die Planung, Genehmigung und Durchführung eingemischt, erzählte Sauerland. Von Sicherheitsbedenken habe er keine Kenntnis gehalten. Alles, was zur Loveparade an das Dezernat des OB gegangen sei, habe man an die Projektgruppe weitergereicht. Dort hätten die Fachleute gesessen, sich mit Sicherheitsfragen auseinander zu setzen. Ganz offensichtlich seien die aufgekommenen Sicherheitsbedenken dort auch ausgeräumt worden, denn die Genehmigung für die Veranstaltung sie ja letztendlich erteilt worden, sagte Sauerland.
Mit Spannung erwartet hatte man die Zeugenaussage von Adolf Sauerland im Strafverfahren gegen Dressler und andere vor dem Landgericht Duisburg. Sauerland war zur Zeit der Planung und Durchführung der Loveparade als Oberbürgermeister Verwaltungschef gewesen. Duisburgs ehemaliger OB stellte sich am ersten Tag seiner Vernehmung den Fragen des vorsitzenden Richters Mario Plein. Dessen Fragen stützen sich auf die Ermittlungsakten, insbesondere vertieft er das Vernehmungsprotokoll von Sauerlands Aussage am 7. März 2012 bei der Polizei Köln. Plein arbeitete dabei viel mit Originalunterlagen u. a. aus der Verwaltung, welche nicht nur verlesen, sondern dem Plenum auch über Leinwände gezeigt wurden. Außerdem zog er andere Zeugenvernehmungen in den Kontext, speziell dort, wo sie Sauerlands Aussagen widersprechen. Allerdings waren die Aussagen des Ex-OB nicht hilfreich, die letztendliche Schuldfrage zu klären: Er sei nicht in den Genehmigungsprozess involviert, mit Sicherheitsbedenken nicht befasst gewesen, habe von ihnen auch nichts gewusst und – vielfach – ein „ich erinnere mich nicht“, wenn es um Details ging. Ordnungsdezernent Rabe habe die Verantwortung für das Projekt „Loveparade“ gehabt. Er selber habe sich ausschließlich von diesem zum Stand der Dinge informieren lassen.
Die Pressebank ebenso wie die Zuschauerplätze waren seit der Verhandlungseröffnung das erste Mal wieder besser gefüllt. Zwischendurch war es hier eher leer, wie eine Dame berichtete, die zu jedem Verhandlungstag anreist. Allerdings muss man hierzu auch sagen, dass als Zeugen vernommene Personen sowie Betroffene/Verletzte der Verhandlung ausdrücklich nicht als Zuschauer beiwohnen dürfen.
Wo bleibt die Verantwortung?
Ein Kommentar
Dass ein Verwaltungschef delegiert, ist sein gutes Recht. Seine Fachleute sitzen in den Abteilungen. Diesen Teil seiner Aussage muss man ihm abnehmen. Das Ermittlungsverfahren ist zu keinem anderen Ergebnis gekommen, sonst wäre gegen Sauerland ermittelt worden. Sollte er in anderen Angelegenheiten ähnlich verfahren sein, bröckelt zumindest das gerne nach vorne gekehrte Image des „Machers“, mit sich der Kommunalpolitiker und ehemalige Berufsschullehrer gerne schmückte. Wer seine Verwaltung alle Planungen und Verhandlungen machen lässt, um dann schließlich nur bei Vertragsabschlüssen oder Präsentationen seinen Kopf vor die Kameras der Presse zu halten, ist nicht mehr als ein „Grüß-August“. Als ein solcher präsentierte er sich bei seiner Zeugenaussage. Man erinnere sich: Eine moralische Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe wollte Sauerland nie übernehmen, so dass ihm letztendlich die Wahlbürger in Duisburg die Verantwortung abnahmen.
Von den Sicherheitsbedenken des ehemaligen Polizeichefs Rolf Cebin will Sauerland nur aus der Zeitung erfahren haben. Auch die Beauftragung von Prof. Dr. Michael Schreckenberg mit einem Gutachten will er erst nach der Katastrophe zur Kenntnis genommen haben. Einem an ihn gerichteten Brief des Ordnungsamtsleiters, der ihm kurz vor der Loveparade drei „Reißleinen“ kommuniziert haben soll, wie er ohne Gesichtsverlust die Loveparade absagen könne, habe er nie erhalten. Zuweilen hatte Richter Plein schon mal erkennbar Probleme, Sauerlands Aussagen zu glauben.
Von Sicherheitsbedenken habe er nie gehört
Man kann an Sauerlands Aussagen, er hätte nichts von Sicherheitsbedenken gehört, zweifeln. Man kann ihnen aber auch glauben. Tut man das, muss man zu dem Schluss kommen: Er wollte nichts hören, denn diese Sicherheitsbedenken waren ja zum Teil sogar öffentlich bekannt. Und wenn er sie nicht hören wollte: Dann hat hier jemand schon im Vorfeld jede Verantwortung abgelehnt – und das für die bedeutendste Großveranstaltung im Duisburg seiner Amtszeit.
Dass er als Verwaltungschef zu Planungen für ein solches nichtalltägliches Großereignis nachfragt, hätte man aber von ihm erwarten können. Wenn in der operativen Praxis Fehler zu Katastrophen führen, werden schon mal Führungsetagen zur Verantwortung gezogen – zumindest in der freien Wirtschaft. Von dieser Verantwortung als Verwaltungschef wollte Sauerland genauso wenig wissen wie von Sicherheitsbedenken, die jeder vernehmen konnte, wenn er sich auch nur im Ansatz interessierte. Als Verwaltungschef hätte er da nachhaken müssen. Seine „Vogel Strauß“-Politik vor und nach der Katastrophe zeugte nicht gerade von Charakterstärke und machte ihn schließlich in den Augen vieler als Verwaltungschef untragbar.
Dass Adolf Sauerland ein großer Befürworter dieses Mega-Events war, belegen Pressespiegel aus der Planungsphase ebenso wie nicht veröffentlichte (Ton-)Aufzeichnungen von Kollegen. Auch wenn Sauerland dies vor einer Fernsehkamera vor wenigen Jahren einmal anders dargestellt hat. Er bestätigte hier vor Gericht, für die Veranstaltung der Loveparade gewesen zu sein Für einen Erfolg hätte er sich feiern lassen, für den „Misserfolg“ wollte er keine Verantwortung übernehmen. Da lässt „August“ schon mal grüßen …
Wenn man Sauerlands Aussagen glaubt, wirken sie „trumpian“ – der Namenspatron dieser wenig schmeichelhaften Bezeichnung dürfte auch diesseits des großen Teiches bekannt sein. Sie bezeichnet unter anderen eine Person, die sich nicht mit Details auseinander setzen will – und von Bedenken welcher Art auch immer nichts hören will. Ein Misslingen oder Fehlentwicklungen sind immer andere Schuld. Das sind keine Charakterzüge, die einen Menschen für Führungspositionen qualifizieren!
Man darf auf die Aussagen vom ehemaligen Rechtsdezernenten, der bei Planung und Genehmigung federführend gewesen sein soll, gespannt sein. Denn schließlich sitzt nicht er auf der Anklagebank, sondern der damalige Baudezernent und einige seiner Mitarbeiter.
*) Kommunalverband Ruhrgebiet, heute: RVR Regionalverband Ruhr
© 2018 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Funke Foto Services (2), Petra Grünendahl (1)
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