Dynamische Schwünge der Landschaft und ihre elementare Kraft
Von Petra Grünendahl
E. W. Nay (1902–1968) ist bis heute ein berühmter Protagonist der deutschen Nachkriegs-Moderne. Seine formale Abstraktion behauptete sich parallel zum Informel. Seine durch den späten Expressionismus beeinflussten, frühen gegenständlichen Bilder bilden die Grundlage für Nays späteres abstraktes Werk, das sich durch eine kraftvoll-dynamische Autonomie freier Farbformen auszeichnet. „Die Spannungen, die Energien der Fläche, der Farbe, von Farbe zu Fläche, führten zu ganz anderen neuen Bildvorstellungen, Gesang, Tanz der Fläche, wenn man will“, hatte Nay, der als einer der bedeutendsten Farbmaler des 20. Jahrhunderts gilt, 1958 über seine Malerei geschrieben. Und: „Die großen dynamischen Schwünge der Landschaft, ihre elementare Kraft brachten zum ersten Mal das Thema meiner Kunst hervor, die Dynamik und das Elementare.“ Je nach Entstehungszeit faszinieren Nays Arbeiten durch ihre intensive Farb-Form-Interaktion, ihre Fläche-Raum-Komposition oder Figur-Grund-Korrelation. Ausgehend von einer figurativen Malerei entwickelte der Künstler eine zunehmend abstrakte Formensprache, die auf das Frühwerk zurückverweist.
Im vergangenen Jahr wäre der Maler Ernst Wilhelm Nay 120 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigt das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst eine umfassende, retrospektiv angelegte Ausstellung mit Werken aus allen fünf Jahrzehnten seines künstlerischen Schaffens. Die Ausstellung im MKM präsentiert rund 70 Gemälde, die alle Schaffensphasen von Nays Werk vorstellen. Beginnend mit seinen späten Bildern führt die Retrospektive chronologisch zurück durch die stilistisch und thematisch unterschiedlichen Stationen seines Werkes. Die Ausstellung der Hamburger Kunsthalle in Zusammenarbeit mit der Ernst Wilhelm Nay Stiftung, dem Museum Wiesbaden und dem Museum Küppersmühle für Moderne Kunst ist ab Freitag, 24. März in den Wechselausstellungsräumen im Erdgeschoss für das Publikum geöffnet. Gefördert wird die Retrospektive durch die National-Bank Essen.
Der Künstler
Ernst Wilhelm Nay (1902–1968) ist einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts. Nach ersten autodidaktischen Versuchen ab 1922 gelang ihm 1924 die Aufnahme an die Hochschule der Bildenden Künste in Berlin, wo er als Meisterschüler seinen Abschluss 1928 beim Hochschul-Direktor Karl Hofer (1878–1955) machte. An der Hochschule lernte Nay seine spätere Frau Helene (Elly) Kirchner (1901–1986) kennen, die dort als Modell tätig war und die er 1932 heiratete. Studienreisen und Stipendien führten den Maler zunächst nach Paris, Bornholm (Dänemark) oder Rom, wo die frühen Phasen seines Schaffens geprägt wurden. Schon als junger Künstler hatte er um 1930 Anerkennung in der Kunstwelt gefunden, war in den wichtigen Ausstellungen vertreten und erhielt erste Preise. Mit seiner Beteiligung an der documenta in Kassel 1955, 1959 und 1964 sowie den Biennalen in São Paulo und Venedig etablierte er sich als feste Größe in der Kunst der Moderne. Erstmals seit 20 Jahren wird Ernst Wilhelm Nay nun in diesem Haus mit einer umfassenden Retrospektive gewürdigt. Im MKM kann sein Werk auch im Kontext des Schaffens seiner Zeitgenossen betrachtet werden.
Zur Ausstellung ist im Kölner Wienand Verlag der Katalog „E. W. Nay Retrospektive“ mit Hardcover-Einband erschienen. Das 256-seitige Werk mit 224 Abbildungen ist für 29,90 Euro an der Museumskasse sowie im lokalen Buchhandel zu haben (ISBN 978-3-86832-646-8).
Museum Küppersmühle:
Duisburger haben donnerstags freien Eintritt
Die große Retrospektive mit Werken von Ernst Wilhelm Nay ist in den Wechselausstellungsräumen im Erdgeschoss des Altbaus bis zum 6. August 2023 zu sehen. Das Museum Küppersmühle findet man im Innenhafen am Philosophenweg 55 (Haupteingang, der Parkplatz befindet sich auf der anderen Straßenseite). Mittwochs ist das Museum von 14 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstags bis sonntags sowie feiertags von 11 bis 18 Uhr. Montags und dienstags ist Ruhetag. Der Eintritt kostet nur für die Wechselausstellungen 6 Euro (ermäßigt 3 Euro), für das gesamte Haus (inkl. Wechselausstellung) 12 Euro (ermäßigt 6 Euro). Familien (2 Erwachsene plus Kinder) zahlen 18 Euro für das ganze Haus, 10 Euro für Wechselausstellungen. Kinder bis 16 Jahren haben freien Eintritt. Kindergruppen (Schule, Kita, Kinderfreizeit) zahlen 2 Euro pro Kind und Betreuer. Donnerstags haben alle Duisburger (gegen Vorlage des Personalausweises) freien Eintritt. Das MKM ist Partner der Ruhrkultur.Card. Alle Ausstellungsräume des Museums sind auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich.
Offene Führungen durch die Sammlung sowie durch laufende Ausstellungen gibt es jeden Sonntag um 15 Uhr, aber auch nach Vereinbarung. Durch die Wechselausstellung gibt es mittwochs zwischen 15 und 16 Uhr die Führung „KunstMittwoch“. Beide Führungen sind im Eintritt enthalten. Zu den Ausstellungen bietet das MKM zudem immer wieder Themenführungen, Künstlergespräche oder Sonderformate an. Weitere Informationen zu Führungen und dem Begleitprogramm zu Ausstellungen gibt es unter www.museum-kueppersmuehle.de). Hier findet man zu Corona-Maßnahmen.
Das Museum Küppersmühle als Kunstwerk um die Moderne Kunst
Das Museum Küppersmühle für Moderne Kunst wurde im Jahre 1999 in einem ehemaligen Getreidespeicher im Innenhafen eröffnet. Er wurde nach Plänen der Basler Architekten Herzog & de Meuron zum Museum umgebaut. Initiator des Museumsprojekts war der Duisburger Kunstsammler Hans Grothe (1930–2019). Grothes Sammlung umfasste über 800 Werke von mehr als 40 deutschen Künstlern. Seit der Übernahme seiner Sammlung durch das Darmstädter Sammlerpaar Sylvia und Ulrich Ströher 2004/2005 stieg die Anzahl der Ausstellungsstücke und der vertretenen Künstler noch erheblich an. Insgesamt handelt es sich um eine der wichtigsten und umfangreichsten Sammlungen deutscher Kunst seit 1945. Zur Präsentation der ständigen Sammlung kommen immer wieder Wechselausstellungen hinzu. Seit 2008 war ein Erweiterungsbau geplant: Zunächst als ein „Schuhkarton“ auf den Silotürmen, der 2011 wegen Baumängeln scheiterte. Bei einem neuen Anlauf beauftragten die Ströhers 2014 das Architektenbüro Herzog & de Meuron erneut mit der Planung (Baubeginn war 2016): Der Erweiterungsbau wurde im September 2021 eröffnet. Seitdem sind im MKM in 42 Räumen auf gut 5.000 Quadratmetern etwas 320 Werke als Highlights aus der Sammlung Ströher in der Dauerausstellung zu sehen. Die Sammlung ist um ein mehrfaches größer: Schließlich sammelt das Darmstädter Ehepaar ja schon seit Mitte der 1980er-Jahre – und immer noch weiter. Der Fokus liegt auf Malerei, aber auch Skulptur, Installation und Fotografie sind vertreten. Die Sammlung umfasst zentrale Positionen der Kunstentwicklung in Deutschland, von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.
Das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst als Standort der Sammlung Grothe wird seit seiner Gründung von der Stiftung für Kunst und Kultur e. V. Bonn betrieben. Die Stiftung konzipiert und organisiert die Ausstellungen und betreut die umfangreiche Sammlung, die heute dem Kunstsammler-Ehepaar Ströher aus Darmstadt gehört, im MKM. Direktor ist seit 1999 Walter Smerling.
© 2023 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Bernd Fickert (2), Gunter Lepkowski (1), Mick Vincenz (1), Olaf Bergmann (1), Petra Grünendahl (2)
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