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Loveparade-Strafprozess: Sachbearbeiter G. der Duisburger Bauaufsicht sagte aus

Im Fokus der Baugenehmigung stehen Brandschutz und Entfluchtung
Von Petra Grünendahl

Die Rampe zum Loveparade-Gelände nach der Katastrophe. Foto: Petra Grünendahl.
„Zum Bauantrag für eine vorübergehende Nutzungsänderung verlangt der Gesetzgeber für Veranstaltungen über 5.000 Besucher, dass ein Sicherheitskonzept vorgelegt wird“, erklärte der Zeuge G. Baugenehmigungen für eine vorübergehende Nutzungsänderung für Veranstaltungen bearbeite er häufiger, erzählte der Zeuge: „Es sind auch schon mal Großveranstaltungen dabei gewesen mit maximal 4.200 Besuchern in der Kraftzentrale im Landschaftspark Nord oder ein Open-Air-Konzert mit 26.000 Besuchern.“ Aber, so der Zeuge: „Ich genehmige keine Großveranstaltung!“ Eine vorübergehende Nutzungsänderung sei ein Bauantrag wie viele andere auch – und die „Bauherren“ von Lopavent seien da nicht weniger uneinsichtig gewesen als andere: „Die wollen ihr Konzept durch kriegen.“ Sehr lange, so erzählt auch Zeuge G., hätte sich Veranstalter Lopavent und deren Rechtsanwalt gegen den geforderten Bauantrag gewehrt: „Wir bauen doch gar nicht“, hieß es immer. Als dann doch endlich Anfang Juni ein formeller Bauantrag vorlag, war die Liste der Nachforderungen lang: „Lopavent beantragte eine Fristverlängerung, die wir dann auch gewährt haben.“

 

Der Vorstizende Richter Mario Plein (mitte) mit zwei beisitzenden Richtern beim Loveparade-Strafprozess im Gerichtssaal im Congress Center Düsseldorf. Foto: Lars Heidrich / Funke Foto Services.
Als Zeugen hatte die 6. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg einen Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Amt für Baurecht und Bauberatung der Stadt Duisburg geladen, der für die Bearbeitung der Baugenehmigung mit zuständig war. Der heute 57-jährige Bauingenieur hatte bis Jahresanfang zu den Angeklagten gehört. Gegen ihn war das Verfahren aber – wie gegen alle damaligen Mitarbeiter der Stadt sowie einen ehemaligen Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent – ohne Auflagen eingestellt worden. Gegen drei Angeklagte wird wegen fahrlässiger Tötung in 21 Fällen und fahrlässiger Körperverletzung weiter verhandelt: Sie waren damals als Mitarbeiter der Lopavent GmbH an den Planungen des Events beteiligt. Der Vorsitzende Richter Mario Plein ließ den Zeugen zunächst erzählen, welche Rolle er im Genehmigungsverfahren spielte, bevor er ihm aus Schriftstücken, Ermittlungsakten sowie Aussagen anderer Zeugen Sachverhalte vor hielt.

 
Gesetzgeber regelt Auflagen für Bauantrag

August 2011: Ansichten der Rampe zum alten Güterbahnhof aus dem Jahr 2011. Fotos: Petra Grünendahl.
Kernpunkt der Diskussionen mit dem Veranstalter seien ein Brandschutzkonzept mit ausreichenden Breiten an Rettungswegen zur Entfluchtung des Party-Geländes gewesen, erzählte der Bauingenieur, der in seinem Sachgebiet Sonderbauten auch Bauanträge für eine vorübergehende Nutzungsänderung bearbeitet und – wenn alle gesetzlichen Auflagen erfüllt sind – genehmigt. Hier habe Lopavent Zugeständnisse verlangt, die mit der Bauaufsicht nicht zu machen waren, wie der Zeuge erklärte. Brandschutz und Rettungswege seien Kernpunkte dessen, was der Gesetzgeber für eine vorübergehende Nutzungsänderung als Versammlungsstätte verlange, sagte der Zeuge. Zur Klärung über ausreichende Rettungswege wurde schließlich von der Firma TraffGo eine Entfluchtungsanalyse erstellt, die Prof. Michael Schreckenberg dann im Auftrag der Stadt begutachtet hatte. Solche Gutachten ebenso wie eine Überprüfung der Statik – beim verdichteten Untergrund ebenso wie bei der Standfestigkeit der Zäune – kann die Bauordnung nicht selber überprüfen. Dafür werden externe Gutachter mit dem entsprechenden Fachwissen geholt.

 
Gleiches gelte für das Sicherheitskonzept, hob der 57-Jährige, der seit 1990 im Bauamt der Stadt Duisburg arbeitet, hervor: „Wir brauchen für die Genehmigung des Bauantrages ein Sicherheitskonzept: keinen Entwurf, sondern in finales Konzept. Wir müssen aber nur wissen, dass es eins gibt, welches mit den Sicherheitsbehörden abgestimmt wurde, und dass es inhaltlich nicht baurechtlichen Anforderungen entgegen steht.“ Eine fachliche Überprüfung ist nicht Sache der Bauordnung, die über keinerlei Kompetenzen in der Veranstaltungsplanung verfügt: „Der Veranstalter führt in seinem Konzept Maßnahmen zur gezielten Steuerung von Besucherströmen auf, die wir nicht überprüfen können.“ Welche Auflagen für die Genehmigung des Bauantrags erfüllt werden müssen, hat der Gesetzgeber – hier das Land NRW – in der Sonderbau-Verordnung geregelt: „Wir haben beispielsweise die Installation von Vereinzelungsanlagen und Maßnahmen zur Besucherzählung vorgeschrieben, sind aber fachlich nicht dafür zuständig, was wo und wie aufgestellt werden.“

 
“Wir haben keine Großveranstaltung genehmigt“

Die neu gestaltete Gedenkstätte für die Opfer der Loveparade 2010 ist fertig: Püntlich kurz vor dem dritten Jahrestag. Foto: Petra Grünendahl.
Die Zuständigkeit der Bauaufsicht habe sich rein auf das Veranstaltungsgelände bezogen: „Unsere baurechtliche Zuständigkeit endet an den Grenzen des Veranstaltungsgeländes, welches der Bauherr in seinem Antrag festlegt.“ Das Veranstaltungsgelände ging bis zum unteren Ende der Rampe: dahinter – ab dem Bürgersteig – begann der öffentliche Raum. An der Arbeitsgruppe 4 (AG4 Sicherheit) durfte die Bauaufsicht ab der dritten Sitzung teilnehmen, bei einem „Szenarien-Workshop“ allerdings nicht. Die Bauaufsicht habe an diesen Sitzungen der AG4 nur zuhören sollen, ob baurechtlich relevante Dinge besprochen wurden. Nachfragen eines Mitarbeiters der Bauordnung nach der „Tunnelproblematik“ – also den Zuwegen zum Gelände – wurden abgebügelt. „Unser Thema war die Entfluchtungsproblematik, die in der Sonderbau-Verordnung verlangt wird“, betonte der Zeuge noch einmal die Prioritäten des Gesetzgebers.

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Bei einem Ortstermin auf dem alten Güterbahnhofsgelände am Vortag der Loveparade (23. Juli 2010) händigten die Mitarbeiter die Baugenehmigung aus, stellten aber noch ein paar leichte Mängel fest, die bis abends beseitigt werden sollten. Das waren sie auch bis zum abendlichen Kontrollgang: „Allerdings gab es dann neue Mängel, die bis zum nächsten Vormittag behoben werden sollten. Der Ordnungsamtsleiter hatte sich bereit erklärt, dies am nächsten Tag zu überprüfen, – und damit war unsere Aufgabe erledigt.“

 
© 2019 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl (3), Lars Heidrich / Funke Foto Services (1)
 

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