Einmalige Intensität deutscher Nachkriegskunst und ihrer Positionen
Von Petra Grünendahl
„Erstmals ist das Museum Küppersmühle nur mit Werken aus der Sammlung Ströher bestückt“, erklärte Museumsdirektor Prof. Dr. h. c. Walter Smerling den Ausstellungstitel „Full House“. Nur? Nicht ganz: Das aktuellste Werk der Sonderausstellung gehört (noch) der Künstlerin: Mit „Gas“ hat die Künstlerin Rissa (*1938, eigentlich Karin Götz, Ehefrau von Karl Otto Götz) erst kürzlich ihre Gedanken zur gegenwärtigen Entwicklung mit Acryl auf die Leinwand gebracht. „Rissa ist Teil unserer Sammlung. Deswegen gehörte auch dieses Bild zu Recht in die Ausstellung“, so Smerling. Seit 37 Jahren sammeln Sylvia und Ulrich Ströher deutsche Kunst der Nachkriegszeit, seit 17 Jahren sind sie Partner der Stiftung für Kunst und Kultur, die das MKM betreibt. „Diese Intensität in der Darstellung deutscher Kunstentwicklung seit 1945 finden Sie nirgends sonst“, betonte der Museumsdirektor. „Wir konzentrieren uns auf das Werk des Künstlers – und das wollen wir vermitteln.“ Einzigartig sei die Präsentation der einzelnen Künstler mit ihren Positionen und in ihrer schöpferischen Entwicklung, erklärte Smerling: „Sie erkennen hier die Zusammenhänge mit Positionen anderer Künstler, die wichtig sind für die Entwicklung der deutschen Nachkriegskunst.“
Seine acht Räume im Wechselausstellungsbereich hat das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst für seine Sommerausstellung neu bestückt: Mit Exponaten aus der Sammlung Ströher, die in der Dauerausstellung keinen Platz fanden. Walter Smerling stellte zusammen mit Kuratorin Dr. Eva Müller-Remmert die neue Sommerausstellung vor. Im Pressegespräch stellten sie vor der Eröffnung die Ausstellung und ihr Konzept vor. Acht Künstlern ist jeweils ein eigener Raum gewidmet, für Werke von den 1960er-Jahren bis heute. Als Ergänzung zur Dauerausstellung der Sammlung mit Fokus auf informellen und abstrakten Künstlern der Nachkriegskunst, wirft die Ausstellung „Full House“ einen Blick auf die Nachfolgegeneration. Alle der präsentierten Künstler eint, dass sie bis heute ihre Bedeutung für die Kunstgeschichte beibehalten und weiterentwickelt haben. Die Ausstellung ist ab Freitag, 15. Juli, für das Publikum geöffnet.
Die Künstler
Im Eingangsbereich findet der Museumsbesucher überwiegend monochrome, aber auch eine Reihe polychromer Gemälde von Rolf-Gunter Dienst (1942 – 2016). Es folgen in der dreigeteilten großen Halle die Strick- und Herdbilder von Rosemarie Trockel (*1952), überwiegend großformatige Gemälde des „Geschichtenerzählers“ Jörg Immendorff (1945 – 2007), auf denen der Betrachter viele spannende Details erkennen kann, sowie Fotografien von Candida Höfer (*1944) mit Motiven von brasilianischen Kirchen, Bibliotheken, Museen, Theatern oder Hörsälen, die in ihrer Opulenz sehr beeindrucken. Im nächsten Raum stehen Stephan Balkenhols (*1957) „Hexagon und Fries“ Männer im Mittelpunkt einer Rauminstallation, die er erstmals 1988 in Stuttgart so gezeigt hat. Im hintersten Raum präsentiert Katharina Sieverding (*1944) ihre Fotografien als künstlerische Ausdrucksform. Den Rückweg leitet die Künstlerin Rissa (*1938) ein mit farbenreichen Abstraktionen, die Formen flächig reduzieren und gleichzeitig betonen. Der letzte Raum zeigt mit der Serie „Ricochet“ (1997) mit fast schon abstrakten Detailaufnahmen von Orchideen ein Frühwerk des Fotografen Thomas Florschuetz (*1957).
Zur Ausstellung „Full House – aus der Sammlung Ströher“ ist ein Katalog erschienen mit Beiträgen zu den Künstlern und Installationsansichten aus der Ausstellung. Das 88-seitige zweisprachige Werk (dt.-engl.) wird herausgegeben vom MKM Museum Küppersmühle für Moderne und Kunst und der Stiftung für Kunst und Kultur e. V. Für 17 Euro ist es an der Museumskasse sowie im lokalen Buchhandel zu bekommen (ISBN 978-3-00-072814-3). Druckfrisch gibt es auch den Katalog zum Museum „Das neue MKM“: Zur Neupräsentation der Sammlung Ströher stellt es das Museum und den Erweiterungsbau ebenso vor wie die wichtigsten Künstler in der Dauerausstellung und im Außenbereich vor. Das reich bebilderte 232-seitige, ebenfalls zweisprachige Werk ist für 30 Euro zu haben (ISBN 978-3-00-072509-8).
Das Museum Küppersmühle als Kunstwerk um die Moderne Kunst
Das Museum Küppersmühle für Moderne Kunst wurde im Jahre 1999 in einem ehemaligen Getreidespeicher im Innenhafen eröffnet. Er wurde nach Plänen der Basler Architekten Herzog & de Meuron zum Museum umgebaut. Initiator des Museumsprojekts war der Duisburger Kunstsammler Hans Grothe (1930–2019). Grothes Sammlung umfasste über 800 Werke von mehr als 40 deutschen Künstlern. Seit der Übernahme seiner Sammlung durch das Darmstädter Sammlerpaar Sylvia und Ulrich Ströher 2004/2005 stieg die Anzahl der Ausstellungsstücke und der vertretenen Künstler noch erheblich an. Insgesamt handelt es sich um eine der wichtigsten und umfangreichsten Sammlungen deutscher Kunst seit 1945. Zur Präsentation der ständigen Sammlung kommen immer wieder Wechselausstellungen hinzu. Seit 2008 war ein Erweiterungsbau geplant: Zunächst als ein „Schuhkarton“ auf den Silotürmen, der 2011 wegen Baumängeln scheiterte. Bei einem neuen Anlauf beauftragten die Ströhers 2014 das Architektenbüro Herzog & de Meuron erneut mit der Planung (Baubeginn war 2016): Der Erweiterungsbau wurde im September 2021 eröffnet. Seitdem sind im MKM in 42 Räumen auf gut 5.000 Quadratmetern etwas 320 Werke als Highlights aus der Sammlung Ströher in der Dauerausstellung zu sehen. Die Sammlung ist um ein mehrfaches größer: Schließlich sammelt das Darmstädter Ehepaar ja schon seit Mitte der 1980er-Jahre – und immer noch weiter. Der Fokus liegt auf Malerei, aber auch Skulptur, Installation und Fotografie sind vertreten. Die Sammlung umfasst zentrale Positionen der Kunstentwicklung in Deutschland, von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.
Das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst als Standort der Sammlung Grothe wird seit seiner Gründung von der Stiftung für Kunst und Kultur e. V. Bonn betrieben. Die Stiftung konzipiert und organisiert die Ausstellungen und betreut die umfangreiche Sammlung, die heute dem Kunstsammler-Ehepaar Ströher aus Darmstadt gehört, im MKM. Direktor ist seit 1999 Walter Smerling.
Impressionen aus der Ausstellung. Fotos: Petra Grünendahl
Museum Küppersmühle:
Duisburger haben donnerstags freien Eintritt
Die Sonderschau „Full House – aus der Sammlung Ströher“ ist in den Wechselausstellungsräumen im Erdgeschoss des Altbaus bis zum 9. Oktober 2022 zu sehen. Das Museum Küppersmühle findet man im Innenhafen am Philosophenweg 55 (Haupteingang, der Parkplatz befindet sich auf der anderen Straßenseite). Mittwochs ist das Museum von 14 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstags bis sonntags sowie feiertags von 11 bis 18 Uhr. Montags und dienstags ist Ruhetag. Der Eintritt kostet nur für die Wechselausstellungen 6 Euro (ermäßigt 3 Euro), für das gesamte Haus (inkl. Wechselausstellung) 12 Euro (ermäßigt 6 Euro). Familien (2 Erwachsene plus Kinder) zahlen 18 Euro für das ganze Haus, 10 Euro für Wechselausstellungen. Kinder bis 16 Jahren haben freien Eintritt. Kindergruppen (Schule, Kita, Kinderfreizeit) zahlen 2 Euro pro Kind und Betreuer. Donnerstags haben alle Duisburger (gegen Vorlage des Personalausweises) freien Eintritt. Das MKM ist Partner der Ruhrkultur.Card. Alle Ausstellungsräume des Museums sind auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich.
Offene Führungen durch die Sammlung sowie durch laufende Ausstellungen gibt es jeden Sonntag um 15 Uhr, aber auch nach Vereinbarung. Zu den Ausstellungen bietet das MKM immer wieder Themenführungen, Künstlergespräche oder Sonderformate wie zum Beispiel die Veranstaltungsreihe „Kunst trifft …“. Dazu zählen aktuell die Kuratorinnenführungen durch die Ausstellung „Full House“ mit dem Schwerpunkt Fotografie am 3. und 24. September (jeweils samstags, 15 – 16 Uhr, 15 Euro inklusive Eintritt, ermäßigt 10 Euro), die „Kunstvermittlung mal anders – KUNSTtreffen mit Jannis Keuerleber“ am 24. August, 18 – 20 Uhr (Preise wie oben) sowie „Der Kunst-Mittwoch“ (jeden Mittwoch von 15 – 16 Uhr, im Eintrittspreis enthalten). „Kunst trifft …“ am 18. August auf den 3sat Museumscheck (18.30 – 20 Uhr). Weitere Informationen zu Führungen und dem Begleitprogramm zu Ausstellungen gibt es unter www.museum-kueppersmuehle.de). Hier findet man zu Corona-Maßnahmen.
© 2022 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl
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