Klangvolles Konzert der FarbenVon Petra Grünendahl
Zur Malerei inspirierten den damals nach Stalingrad schwer verletzt im Lazarett liegenden Heinz Kreutz (1923–2016) Zigarettenbildchen mit „entarteter Kunst“: Monet, Kandinsky oder Cézanne holten ihn aus dem Grauen des Krieges. Kreutz begann zu zeichnen und nach Kriegsende in Öl zu malen. Wirken erste Malereien noch eher düster, wendet er sich später den leuchtenden Farben zu. Diese Hinwendung zur Farbe wird von einer Phase mit Holzschnittarbeiten unterbrochen, die durch ihre harten Kontraste in Schwarz-Weiß bestechen. Dann wendet er sich wieder den mitunter sehr knalligen Farben zu. Kreutz ist Autodidakt: Für die Kunstakademie, wo ihn sein Vater lieber gesehen hätte, oder die Kunstgewerbeschule war er zu unangepasst. Er wollte sich nicht an die damals gängigen Erwartungen der Lehrenden anpassen. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte wechselt der Maler Materialien, Technik und Ausdrucksform. Die verschiedenen Facetten seines Werks lassen sich über die Schaffensphasen hinweg nachvollziehen.
Im Erweiterungsbaus hat das MKM Museum Küppermühle für Moderne Kunst das dritte Obergeschoss anlässlich seines 100. Geburtstages mit einer umfassenden Retrospektive von Heinz Kreutz neu gestaltet. Museumsdirektor Prof. Dr. h. c. Walter Smerling stellte den Raum zusammen mit der Kuratorin Katharina Zimmermann vor. Die Werkschau stellt in 60 Werken die wesentlichen Schaffensphasen des Künstlers in jeweils mehreren Bildern vor, die dem Betrachter Vergleiche und das Nachvollziehen von Kreutz’ künstlerischer Entwicklung ermöglichen. Den Ausstellungsraum hat die Kuratorin chronologisch gestaltet: Gegen den Uhrzeigersinn von den frühen Ölgemälden in den 1940er- und 1950er Jahren über Aquarelle (ab Mitte der 1950er), Holzschnitte, Acryl (beides ab den 1960ern) oder Siebdrucke (ab den 1970ern) bis zu seiner Rückkehr zur Ölmalerei in den 1980er-Jahren. Dazu kommen Serien in Bleistift, Wachs- oder Pastellkreide. Bestückt ist die Ausstellung ausschließlich mit Werken aus dem Nachlass von Heinz Kreutz und aus der Sammlung Ströher. Die Ausstellung wird heute Abend mit geladenen Gästen eröffnet und ist ab Morgen für die Besucher zugänglich.
Der Künstler
Heinz Kreutz (1923–2016) absolvierte 1940 eine Ausbildung als Fotograf. Im Zweiten Weltkrieg gelangte er nach der Schlacht von Stalingrad schwerverletzt in ein Lazarett. Von 1944 an begann er künstlerisch zu arbeiten, inspiriert von Zigarettenbildern mit „entarteter Kunst“, die eine Besucherin ins Lazarett schmuggelte. In den Jahren nach dem Krieg arbeitete Kreutz als Weißbinder und gelegentlich als Fotograf und wandte sich ab 1948 der abstrakten Malerei zu. 1950 schuf er die Glasmalerei für die Evangelische Kirche in Ochshausen (Landkreis Kassel). Mithilfe eines privaten Stipendiums verbrachte er 1951 einen Studienaufenthalt in Paris, hatte hier ein Atelier und entdeckte die Impressionisten für sich. 1952 gehörte er mit Otto Greis, Karl Otto Götz und Bernard Schultze zu den Gründungsmitgliedern der Künstlergruppe Quadriga, mit der die deutsche Malerei in der Nachkriegszeit wieder den Anschluss an die internationale künstlerische Avantgarde erhielt.
1960 verbrachte Kreutz einen weiteren Studienaufenthalt in Paris und erhielt 1967 ein Stipendium an der Cité Internationale des Arts Paris. Von 1971 bis 1973 war er Gastdozent an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. Heinz Kreutz lebte und arbeitete seit 1976 in Oberbayern, wo er 2016 in Penzberg starb. Im Jahr 2002 wurde Kreutz zusammen mit den anderen Gründern der Quadriga mit dem Binding-Kulturpreis ausgezeichnet.
Zur Ausstellung ist ein umfassender Katalog erschienen mit einem Vorwort von Walter Smerling, einen Textbeitrag von Niklas Werner Jacobs sowie einem Interview zwischen Heinz Kreutz und Kirsten Kretschmann-Muche. Das reich bebilderte Werk mit ca. 80 Abbildungen ist im Wienand Verlag in Zusammenarbeit mit der Stiftung für Kunst und Kultur erschienen. Für 30 Euro ist das Buch an der Museumskasse sowie im lokalen Buchhandel zu haben (ISBN 978-3-86832-769-4).
Impressionen aus der Ausstellung. Fotos: Petra Grünendahl
Museum Küppersmühle:
Duisburger haben donnerstags freien Eintritt
Die Retrospektive von Heinz Kreutz ist bis zum 28. Januar 2024 zu sehen. In den Wechselausstellungsräumen im Erdgeschoss des MKM sind um 26. November 2023 die Bilderwelten von Christoph M Gais zu sehen. Das Museum Küppersmühle findet man im Innenhafen am Philosophenweg 55 (Haupteingang, der Parkplatz befindet sich auf der anderen Straßenseite). Mittwochs ist das Museum von 14 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstags bis sonntags sowie feiertags von 11 bis 18 Uhr. Montags und dienstags ist Ruhetag. Der Eintritt kostet nur für die Wechselausstellungen 6 Euro (ermäßigt 3 Euro), für das gesamte Haus (inkl. Wechselausstellung) 12 Euro (ermäßigt 6 Euro). Familien (2 Erwachsene plus Kinder) zahlen 18 Euro für das ganze Haus, 10 Euro für Wechselausstellungen. Kinder bis 16 Jahren haben freien Eintritt. Kindergruppen (Schule, Kita, Kinderfreizeit) zahlen 2 Euro pro Kind und Betreuer. Donnerstags haben alle Duisburger (gegen Vorlage des Personalausweises) freien Eintritt. Das MKM ist Partner der Ruhrkultur.Card. Alle Ausstellungsräume des Museums sind auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich.
Offene Führungen durch die Sammlung sowie durch laufende Ausstellungen gibt es jeden Sonntag um 15 Uhr, aber auch nach Vereinbarung. Durch die Wechselausstellung gibt es mittwochs zwischen 15 und 16 Uhr die Führung „KunstMittwoch“. Beide Führungen sind im Eintritt enthalten. Zu den Ausstellungen bietet das MKM zudem immer wieder Themenführungen, Künstlergespräche oder Sonderformate an. Informationen zu Führungen und dem Begleitprogramm zu Ausstellungen gibt es unter www.museum-kueppersmuehle.de). Hier findet man zu Corona-Maßnahmen.
Das Museum Küppersmühle als Kunstwerk um die Moderne Kunst
Das Museum Küppersmühle für Moderne Kunst wurde im Jahre 1999 in einem ehemaligen Getreidespeicher im Innenhafen eröffnet. Er wurde nach Plänen der Basler Architekten Herzog & de Meuron zum Museum umgebaut. Initiator des Museumsprojekts war der Duisburger Kunstsammler Hans Grothe (1930–2019). Grothes Sammlung umfasste über 800 Werke von mehr als 40 deutschen Künstlern. Seit der Übernahme seiner Sammlung durch das Darmstädter Sammlerpaar Sylvia und Ulrich Ströher 2004/2005 stieg die Anzahl der Ausstellungsstücke und der vertretenen Künstler noch erheblich an. Insgesamt handelt es sich um eine der wichtigsten und umfangreichsten Sammlungen deutscher Kunst seit 1945. Zur Präsentation der ständigen Sammlung kommen immer wieder Wechselausstellungen hinzu. Seit 2008 war ein Erweiterungsbau geplant: Zunächst als ein „Schuhkarton“ auf den Silotürmen, der 2011 wegen Baumängeln scheiterte. Bei einem neuen Anlauf beauftragten die Ströhers 2014 das Architektenbüro Herzog & de Meuron erneut mit der Planung (Baubeginn war 2016): Der Erweiterungsbau wurde im September 2021 eröffnet. Seitdem sind im MKM in 42 Räumen auf gut 5.000 Quadratmetern etwas 320 Werke als Highlights aus der Sammlung Ströher in der Dauerausstellung zu sehen. Die Sammlung ist um ein mehrfaches größer: Schließlich sammelt das Darmstädter Ehepaar ja schon seit Mitte der 1980er-Jahre – und immer noch weiter. Der Fokus liegt auf Malerei, aber auch Skulptur, Installation und Fotografie sind vertreten. Die Sammlung umfasst zentrale Positionen der Kunstentwicklung in Deutschland, von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.
Das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst als Standort der Sammlung Grothe wird seit seiner Gründung von der Stiftung für Kunst und Kultur e. V. Bonn betrieben. Die Stiftung konzipiert und organisiert die Ausstellungen und betreut die umfangreiche Sammlung, die heute dem Kunstsammler-Ehepaar Ströher aus Darmstadt gehört, im MKM. Direktor ist seit 1999 Walter Smerling.
© 2023 Petra Grünendahl (Text)
Fotos: Petra Grünendahl
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